Nach lang anhaltenden Niederschlägen und einem darauffolgenden Hangrutsch im Februar 2021 wird der Wald am Rande des Bergdorfs Fanas mit altem Müll überschwemmt: Joghurt­becher, Glasflaschen, Aludosen, Plastiktüten, Verpackungen in allen Formen und Farben, ja sogar ein alter Ofenherd. Alles, was die Fanaser Haushalte hier in der Hauskehricht­deponie Rälia bis 1976 entsorgt haben, als Abfalltrennung noch nicht üblich war. Ab 1976 wurde der Hausmüll aus Fanas dann der Kehrichtverbrennungsanlage zugeführt, die Deponie Rälia geschlossen und später mit Bauschutt und Aushub zugedeckt. Der Müll war schnell vergessen. Und blieb jahr­zehntelang in der Hangmulde unter Erde und Vegetation verborgen. Bis er im Februar 2021 an die Oberfläche gespült wurde. «Die bunten Plastikverpackungen sahen aus, als seien sie erst kürzlich weggeworfen worden», erzählt Rahel Egli, Altlastenverantwortliche vom Amt für Natur und Umwelt Graubünden. «Das zeigt eindrücklich, wie langlebig Kunststoff ist.»

Wenn Hausmüll giftig wird

Kleine Hauskehrichtdeponien wie jene in Fanas gab es früher in fast jedem Dorf. In der Schweiz gibt es rund 14 800 Ablagerungsstandorte. Rund zwei Prozent davon sind aktuell sanierungs­bedürftige Altlasten, weil sie Ober­flächengewässer, Grundwasser oder die Boden- oder Luftqualität gefährden. «Bis vor etwa 20 Jahren hat man in Siedlungsabfalldeponien auch viel organisches Material wie Garten- und Küchenabfälle, Papier oder Holzreste abgelagert», sagt Christoph Reusser, stellvertretender Sektionschef Altlasten des BAFU. «Beim Abbau von solchem Material unter Ausschluss von Luft entsteht Ammonium, das für Gewässer­lebewesen giftig ist.» Zudem können je nach Zusammensetzung des Kehrichts weitere für Mensch und Tier gesund­heits­schädigende Stoffe wie Schwermetalle, Organochlorverbindungen oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in die Umwelt gelangen.

Plötzlich sanierungsbedürftig

«Eine kritische Schadstoffbelastung hatten wir bei der Deponie Rälia glück­licherweise nicht», sagt Rahel Egli. Ursprünglich nicht als sanierungs­bedürftig eingestuft, musste die Deponie nach dem Abrutschen dennoch komplett abgetragen werden, um zu verhindern, dass künftig bei Starkniederschlägen erneut Müll freigesetzt wird und weiter unten in den Bach gelangt. Die Arbeiten in dem schwer zugänglichen, steilen und dicht bewaldeten Gelände waren eine Herausforderung, erzählt Egli. «In manche Bereiche konnte der Bagger nicht vordringen. Dort mussten die Abfälle von Hand eingesammelt werden.»

Zwei Wochen dauerten die Aufräumarbeiten und das Ausbaggern des Deponie­materials. 200 Tonnen kamen am Ende zusammen: eine Mischung aus Abfall, aufgeschüttetem Bauschutt, Waldboden, Holz und Pflanzenresten. «Weil eine Triage vor Ort nur teilweise möglich war, musste das Material in eine Bodenwaschanlage im Kanton Thurgau gebracht werden. Das verteuerte die Entsorgung.» Über 100 000 Franken kostete die Sanierung Rälia. 40 Prozent davon übernahm der Bund, wie es für die Sanierung von Siedlungsabfall­deponien zur Entlastung der Kantone und Gemeinden vorgesehen ist.

Fälle wie jener der Deponie Rälia könnten sich in Zukunft häufen, sagt Christoph Reusser vom BAFU. Denn mit dem Klimawandel werden Starkniederschläge, Hochwasserereignisse und Erosionsprobleme zunehmen. «Wir müssen damit rechnen, dass weitere belastete Standorte, die bisher nicht als sanierungsbedürftig eingestuft sind, in absehbarer Zeit problematisch werden könnten.» 

Kaum noch Leben im Bach

Viele Jahrzehnte war vom Kehlhofbach auf dem Gemeindegebiet von Mauren-Berg (TG) nicht viel zu sehen. Anfang der 1960er-Jahre war er auf einem langen Abschnitt in Röhren gefasst und unter die Erde verlegt worden, um das Bachtobel als Kehrichtdeponie zu nutzen. «Das war damals eine gängige Praxis bei Hauskehrichtdeponien», weiss Thomas Back, stellvertretender Leiter Abfall und Boden beim Amt für Umwelt des Kantons Thurgau. «Sobald das Tobel mit Müll aufgefüllt war, wurde das Ganze mit Boden überdeckt und man gewann eine ebene Fläche, die fortan landwirtschaftlich besser genutzt werden konnte.» Über den Hausmüll und Bauschutt, den die vier umliegenden Gemeinden in der Deponie Geeren zwischen 1961 und 1970 ablagerten, war schon bald Gras gewachsen.

Doch der Abfall hinterliess Spuren, wie sich Jahrzehnte später zeigen sollte: Unterhalb der Deponie, wo der Kehlhofbach wieder an die Oberfläche trat, war das Gewässer über weite Strecken so geschädigt, dass praktisch kein Leben mehr vorhanden war. Messungen, die 2006 im Rahmen der Altlastenvoruntersuchung durchgeführt wurden, ergaben hohe Mengen an Ammonium und Blei, die weit über den Grenzwerten der Altlasten-Verordnung lagen. «Die Eindolung war über die Jahre undicht geworden, sodass belastetes Wasser aus dem verrottenden Abfall in den Bach sickern konnte», erklärt Back. Die Deponie Geeren wurde damit zur Altlast. 2012 starteten die Sanierungsarbeiten.

Auf den Aushub der geschätzt 40 000 bis 60 000 Kubikmeter Deponie­material konnte verzichtet werden. Stattdessen wurde der eingedolte Teil des Bachs wieder an die Oberfläche geholt und um die Deponie herum­geführt. «Zusätzlich haben wir eine Fassung für das belastete Sicker­wasser gebaut, das nun direkt in die Abwasserreinigungsanlage geleitet wird und nicht mehr mit der Umwelt in Berührung kommt», sagt Back. Rund 1,1 Millionen Franken kosteten diese Massnahmen – ein kompletter Aushub wäre wesentlich teurer gewesen und hätte länger gedauert. So hingegen war der Bach nach rund einem Jahr Bauzeit komplett von der Deponie getrennt. Seither hat sich das Gewässer wieder erholt, wie Unter­suchungen ergeben haben: Das Leben ist in den Kehlhofbach zurückgekehrt.