Am Zoll von Bardonnex (GE), wo die meisten Menschen einfach nur durchfahren, hält sich Anfang April ein Team einen ganzen Tag dort auf: An diesem Donnerstag findet ein Sondereinsatz statt, bei dem Fachleute des BAFU und des Kantons Genf mit den Zollbeamten direkt vor Ort zusammenarbeiten. Das Ziel: stichprobenartige Kontrollen bei Transporten von Abfällen, die die Schweiz verlassen, um illegale Entsorgungs-Exporte zu verhindern.

Alles online
Der Tag beginnt mit einer Besprechung im Zollbüro, an der die rund zwanzig Beteiligten über den genauen Ablauf des Einsatzes informiert werden. Es geht in erster Linie darum, Fahrzeuge zu überprüfen und sicherzustellen, ob die vom ihnen tatsächlich beförderten Waren auch mit der Anmeldung übereinstimmen. «Die Triage der Lastwagen erfolgt im Vorfeld, und dann entscheiden die Mitarbeitenden aufgrund ihrer Erfahrung, welche Fahrzeuge angehalten werden müssen», erklären die Zöllner weiter. Überprüft werden vor allem Lastwagen, aber auch Lieferwagen oder Autos, die Waren transportieren.

Die Zollbeamten führen dann erste Kontrollen durch, wie z. B. die Gültigkeit des Führerausweises, den Zustand des Fahrzeugs, den Blutalkoholwert des Fahrers oder der Fahrerin, bevor sie sich mit dem beförderten Material befassen. «Alles muss online erfasst werden», erklären die Zollbeamten. Denn auch Abfälle benötigen Ausweispapiere, um den Zoll zu passieren.

Zur Vereinfachung der Kontrolle fahren die Lastwagen durch den mobilen Scanner – ein Gerät mit modernster Technologie, das es ermöglicht, das Innere des Fahrzeugs ähnlich wie bei einer MRI sichtbar zu machen. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU
Zur Vereinfachung der Kontrolle fahren die Lastwagen durch den mobilen Scanner – ein Gerät mit modernster Technologie, das es ermöglicht, das Innere des Fahrzeugs ähnlich wie bei einer MRI sichtbar zu machen. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU
Hier ist alles in Ordnung. Die transportierten Abfälle, Papierballen, stimmen mit der Deklaration überein. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU
Hier ist alles in Ordnung. Die transportierten Abfälle, Papierballen, stimmen mit der Deklaration überein. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU

Stimmen Papiere und Abfälle überein?
Die Teammitglieder postieren sich an vier Stellen rund um das Zollgebäude. Kurzum: Die Zöllner halten die Lastwagen an, die Expertinnen und Experten des BAFU oder des Kantons Genf übernehmen die Kontrolle. Sie überprüfen, ob die Bewilligung mit der Art der transportierten Abfälle übereinstimmt. Diese Kontrollen und die Bewilligungen, welche die Abfallverbringung regeln, gewährleisten, dass die Entsorgung umweltverträglich erfolgt. Das bedeutet, dass die Abfälle nach dem Stand der Technik und unter Einhaltung der im Ausland und in der Schweiz geltenden Umweltvorschriften behandelt und verwertet werden.

Bei der Kontrolle wird überprüft, ob die Abfälle tatsächlich dem entsprechen, was gemeldet wurde. Zudem achten die Zollteams darauf, ob die Ladung korrekt gesichert ist. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU

Bei der Kontrolle wird überprüft, ob die Abfälle tatsächlich dem entsprechen, was gemeldet wurde. Zudem achten die Zollteams darauf, ob die Ladung korrekt gesichert ist. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU

Mängel über Mängel
Kaum hat der Einsatz begonnen, wird auch schon ein Kleinlastwagen mit Bauabfällen angehalten. Sein Container quillt über. «Nichts stimmt hier», stellt der Zollbeamte fest. «Die beförderte Ladung übersteigt die zulässige Nutzlast des Fahrzeugs um das Doppelte, die Abfälle wurden nicht angemeldet, und der technische Zustand des Fahrzeugs ist mangelhaft.» Der Fahrer muss das Fahrzeug also an Ort und Stelle lassen und der Abfall bleibt vorerst in der Schweiz.

Reifen haben einen besonderen Status: Je nach Profiltiefe gelten sie noch als Gebrauchtware – wie in diesem Fall. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU

Reifen haben einen besonderen Status: Je nach Profiltiefe gelten sie noch als Gebrauchtware – wie in diesem Fall. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU

Ein Millimeter-Entscheid
Dann zieht ein Lieferwagen die Aufmerksamkeit der Zollbeamten auf sich. Sébastien Rossier, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BAFU, wirft einen Blick in den mit Reifen gefüllten Laderaum. Der Fahrer hatte einen Transport von Reifen deklariert, jedoch befinden sich auch etwa zwanzig Felgen auf der Ladefläche. «Es handelt sich nicht um Abfälle, somit fällt es nicht in den Zuständigkeitsbereich des BAFU», schliesst Sébastien Rossier nach einer kurzen Begutachtung. Das Profil des Reifens macht den Unterschied zwischen Abfall und Gebrauchtware aus. Bei mehr als 1,6 Millimetern Profiltiefe ist er noch brauchbar. «In der Schweiz achten die Menschen stärker auf die Sicherheit und wechseln ihre Reifen, bevor sie vollständig abgenutzt sind – dadurch werden sie in anderen Ländern zur Gebrauchtware.»

Um die Abwicklung effizienter zu gestalten, können mehrere Lastwagen gemeinsam angemeldet werden, und die Bewilligung kann monatlich beantragt werden. Diese administrative Vereinfachung hilft, Parkplätze zu entlasten und Zeit zu sparen. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU

Um die Abwicklung effizienter zu gestalten, können mehrere Lastwagen gemeinsam angemeldet werden, und die Bewilligung kann monatlich beantragt werden. Diese administrative Vereinfachung hilft, Parkplätze zu entlasten und Zeit zu sparen. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU

Ladungen werden durchleuchtet
Der nächste Lastwagen transportiert tatsächlich Abfälle – und diese wurden zudem korrekt angemeldet. Gemäss der Deklaration handelt es sich ausschliesslich um Papierabfälle. Nun gilt es zu überprüfen, ob das tatsächlich zutrifft. Dafür kommt der eindrucksvolle mobile Scanner zum Einsatz. Ähnlich wie bei einer MRI bewegt sich ein Teil des Scanners entlang des Lastwagens, um zu überprüfen, ob die Ladung der Deklaration entspricht. Rund um den Scanner wird eine Sicherheitszone eingerichtet. Sobald die Strahlen ausgesendet werden, ertönt ein Alarm. Alle treten zurück – ausser Marc Arn: Der Strassentransportfachmann sitzt in der kleinen Kabine des Lastwagen-Scanners und blickt aufmerksam auf die Bildschirme, auf denen die Bilder erscheinen. «Zuerst schaue ich mir den Aufbau des Anhängers an. Dann prüfe ich die Dichte dessen, was transportiert wird. Hier sieht man klar, dass es sich tatsächlich um Papier handelt.»

Der mobile Scanner ermöglicht eine effizientere und schnellere Kontrolle. Die Fachleute prüfen nicht nur, ob die Ladung mit der Deklaration übereinstimmt, sondern auch, ob keine illegalen Stoffe oder gar Menschen transportiert werden. «Es kommt vor, dass sich Personen in Lastwagen verstecken – das ist selten, aber wenn es passiert, wird ein Protokoll aktiviert, um sie direkt ins Spital zu bringen.» Denn die Strahlung ist beim mobilen Scanner doppelt so hoch wie die Dosis, die ein menschlicher Körper verkraften kann.  Beim soeben gescannten Lastwagen ist jedoch alles in Ordnung – der Fahrer darf weiterfahren.

«Das Gesetz definiert über 800 Abfallarten, die in verschiedene Kategorien eingeteilt sind.»

Sébastien Rossier Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BAFU

Über 800 Abfallarten

Ein weiterer Lastwagen weckt das Interesse von Sébastien Rossier, der die Leiter hochsteigt, um einen besseren Blick auf die Ladung zu werfen, bevor diese durch den Scanner fährt. «Besonders schwierig wird es, wenn die Abfälle gemischt sind», erklärt der Experte. Und das ist hier der Fall.
Das Gesetz definiert über 800 Abfallarten, die in verschiedene Kategorien eingeteilt sind. Beispielsweise gehören Batterien – wie sie hier unter anderem transportiert werden – zu den gefährlichen Abfällen. Für sie gelten besondere Vorschriften. «Für diese Art von Abfall braucht es eine Bewilligung vom BAFU, um die Grenze zu überqueren.» Der Fahrer ist verärgert – sein Lastwagen wird beim Zoll festgehalten. Ohne Bewilligung kein Weiterkommen. «Seit zwanzig Jahren fahre ich hier durch, ohne je kontrolliert worden zu sein», sagt er. Die Ware wird nun an einem vom Kanton bestimmten Ort zwischengelagert – bis eine Bewilligung vorliegt. 

Gemischte Abfälle sind deutlich schwieriger zu kontrollieren. Hier muss aufgrund der mitgeführten Batterien – die als gefährlicher Abfall gelten – eine Bewilligung eingeholt werden. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU
Gemischte Abfälle sind deutlich schwieriger zu kontrollieren. Hier muss aufgrund der mitgeführten Batterien – die als gefährlicher Abfall gelten – eine Bewilligung eingeholt werden. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU
Das Team des BAFU arbeitet dabei eng mit den Zöllnern zusammen, um den genauen Abfalltyp zu bestimmen. Das Gesetz definiert über 800 Abfallarten und verschiedene Abfallkategorien. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU
Das Team des BAFU arbeitet dabei eng mit den Zöllnern zusammen, um den genauen Abfalltyp zu bestimmen. Das Gesetz definiert über 800 Abfallarten und verschiedene Abfallkategorien. ©Marco Zanoni/Lunax/BAFU

Viel Aushub
Dann trifft ein Lastwagen ein, beladen mit Erde, sogenanntem unverschmutztem Aushub, wie die Fachleute ihn bezeichnen. Eine besonders häufige Ladung am Zoll von Bardonnex in letzter Zeit, wie Michel Bourdenet vom Kanton Genf erklärt: «Aus dem Genfersee und für den Bau einer unterirdischen Tramlinie sowie des neuen Stadtquartiers PAV fallen in Genf grosse Mengen an Erdmaterial an. Als städtischer Kanton hat Genf in seiner Kiesgrube nicht ausreichend Platz, um all diesen unverschmutzten Aushub aufzunehmen. Ein grosser Teil wird daher nach Frankreich in Steinbrüche gebracht.» Um den Warenfluss zu erleichtern und die Parkplätze zu entlasten, können Transportunternehmen ein vereinfachtes Verfahren nutzen: Anstatt jeden Lastwagen einzeln anzumelden, kann ein Sammelantrag für mehrere Grenzübertritte pro Monat gestellt werden. Dieser hier zum Beispiel ist einer der 370 angemeldeten Lastwagen. 

Am Ende des Vormittags fällt die Bilanz insgesamt positiv aus – es wurden keine gravierenden Verstösse festgestellt. Dennoch war die Aktion sinnvoll, denn bei einigen Fahrzeugen fehlten die korrekten Dokumente und die Abfälle hätten sonst die Grenze überquert, ohne dass ihre umweltgerechte Entsorgung sichergestellt gewesen wäre.