In der Öffentlichkeit sind sie erst seit Kurzem ein Thema, für die Umwelt aber schon länger eine Gefahr: per- und polyfluorierte Alkylver­bindungen oder kurz PFAS. Diese chemischen Substanzen sind äusserst stabil, sie verbreiten sich leicht in der Umwelt und sind zum Teil hochgiftig. Verwendet werden sie in der Industrie oder bei der Her­stellung von Konsumprodukten.

«PFAS kommen beispielsweise im Schaum von Feuerlöschern vor und in Beschichtungen aller Art, von wasserabweisenden Outdoorkleidern bis zu Pizzaschachteln», sagt Monika Schwab-Wysser, die bei der Sektion Altlasten des BAFU für PFAS zuständig ist. Die Substanzen finden sich aber auch in Skiwachs oder in Kosmetikartikeln. Es gibt mehrere Tausend verschiedener PFAS. Wegen ihrer einzigartigen Eigenschaften – sie sind hitzebeständig sowie wasser- und fettabweisend – wurden sie ab den 1960er-Jahren immer häufiger in verschiedenen Industriezweigen verwendet.

Ewige Chemikalien

Die Kehrseite der Medaille ist jedoch: PFAS sind im Gegensatz zu anderen Schadstoffen, die mit der Zeit abgebaut werden, äusserst langlebig. Aus diesem Grund werden sie auch als «Forever Chemicals», als «ewige Chemikalien» bezeichnet. «Die Basisstruktur dieser Moleküle besteht aus Kohlenstoff-Fluor-Bindungen, die zu den stärksten chemischen Bindungen überhaupt gehören», erklärt Schwab-Wysser. Diese Struktur ist extrem robust und lässt sich nur bei sehr hohen Temperaturen von über 1000 Grad Celsius aufbrechen.

Darum verschwinden PFAS auch nicht einfach wieder von selbst aus der Umwelt. Sind sie einmal freigesetzt, reichern sie sich im Boden, im Grundwasser, in den Fliessge­wässern und schliesslich in der Nahrungs­kette an. Krankheiten wie Krebs, Schilddrüsenerkrankungen, Beeinträchtigung des Immunsystems oder Wachstumsstörungen bei ungeborenen Kindern können die Folgen sein.

Das Wallis: Vorreiter bei der Sanierung

Ein Beispiel einer solchen Verschmutzung ist der ehemalige Brandübungsplatz des Chemie­standorts Visp (VS). Hier wurden jahrelang PFAS-haltige Löschschäume verwendet, darum gelangten die Chemikalien in den Boden und ins Grundwasser. Diese Belastung hat dazu geführt, dass der Kanton Wallis beim Umgang mit PFAS inzwischen eine Pionierrolle einnimmt. Nachdem Fachleute die Situation ab dem Jahr 2016 analysiert hatten, konnte der Standort von 2020 bis 2022 saniert werden. «Um die Arbeiten zu planen, mussten wir zuerst im Detail abklären, wie weit sich der belastete Bereich ausdehnt und die Belastung in einem 3-D-Raster darstellen», sagt Christine Genolet-Leubin, Chefin der Dienststelle für Umwelt des Kantons Wallis. Anschliessend wurde mittels Pumpbrunnen der Grundwasserspiegel abgesenkt, um den Aushub zu ermöglichen.

In den darauffolgenden Etappen wurden mehr als 60 000 Tonnen PFAS-belastetes Material ausgehoben und in Österreich in einer Bodenwaschanlage behandelt. Anschliessend wurde das gewaschene Grobmaterial im Zementwerk verwertet und das Feinmaterial sowie die beladenen Filter aus der Bodenwäsche in einer Anlage für Sonderabfälle thermisch behandelt. Heute und für mindestens die kommenden zehn Jahre wird der Standort zudem durch eine hydraulische Barriere eingedämmt, wie Genolet-Leubin erläutert. So wird die Restbelastung unter dem Grundwasserspiegel allmählich ausgewaschen und die Pumpbarriere sorgt dafür, dass die PFAS nicht weiter in die Umwelt gelangen.

Langfristige Strategie

Der Kanton Wallis hatte schon im Jahr 2021 eine Strategie zur Bekämpfung von PFAS festgelegt und die Überwachung des Grundwassers verstärkt. Danach waren mehrere Massnahmen umgesetzt worden. «Auch unterhalb der Chemiestandorte Visp, Evionnaz und Monthey wird die Verschmutzung, die durch PFAS-haltige Löschschäume entstanden ist, durch hydraulische Barrieren gesichert», sagt Genolet-Leubin. Seit 2024 ist dies auch unterhalb der ehemaligen Raffinerie in Collombey-Muraz der Fall. Parallel dazu werden das Grundwasser, Oberflächen­gewässer sowie Kanäle und Schächte in und ausserhalb der Schadstoffareale regelmässig kontrolliert. Das gelte auch für Lebens­mittel wie Fische und Gemüse aus diesen Gebieten, sagt Genolet-Leubin. «Dadurch können wir die Prioritäten der nächsten Massnahmen richtig setzen und entsprechend planen.»

Im August 2023 veröffentlichte die Walliser Dienststelle für Umwelt die Ergebnisse einer Studie, die lanciert worden war, nachdem in Fischen aus zwei Teichen und einem Kanal PFAS festgestellt worden waren. Die Fischerei ist dort nun verboten. Für die anderen Gewässer des Kantons gab die Studie aber Entwarnung: Die PFAS-Konzentrationen in den vierzehn Fischen, die aus weiteren Walliser Gewässern entnommen wurden, lagen alle unterhalb der Grenzwerte der Europäischen Kommission. Ähnliche Analysen bei Fischzuchten ergaben auch dort: Der Verzehr der Fische birgt kein Gesundheitsrisiko.

«Es gibt eine Asymmetrie zwischen der Industrie und der Forschung» - Interview mit Alexandre Elsig

Der Historiker Alexandre Elsig befasst sich in seiner Forschung an der EPFL mit giftigen Substanzen aus der Industrie und deren Regulierung. Ein Gespräch über Grenzwerte, chemische Cocktails und Regulationsprozesse in der Blackbox.

Alexandre Elsig, wie hat sich die Sicht auf toxische Industriechemikalien im Lauf der Zeit verändert?

Lange Zeit setzte man sich mit diesem Thema nur innerhalb der Fabrikmauern auseinander und beschränkte sich dabei auf die industrielle Hygiene. Ende des 19. Jahrhunderts begann man, sich dann für die Folgen von Schadstoffaustritten auch ausserhalb der Fabrik zu interessieren. In der Schweiz blieben dieses Bewusstsein und die daraus entstandene Gesetz­gebung aber lange segmentiert, in die Bereiche Wasser, Luft, Landwirtschaft und Gesundheit. Bis gegen Ende der 1960er-Jahre das erste Gesetz über den Handel mit giftigen Substanzen in Kraft trat und das Bundesamt für Umweltschutz (1971) gegründet wurde.

Ihr aktuelles Forschungsprojekt befasst sich mit der «technisch-wissenschaftlichen Eindämmung» bei der Regulierung toxischer Substanzen. Was ist damit gemeint?

Es geht darum, wie Richtlinien über toxische Stoffe zustande kommen. Nach dem vorherrschenden Paradigma regulieren wir die Giftigkeit über Grenzwerte, in Anlehnung an den berühmten Alchemisten Paracelsus, der sagte: «Die Dosis macht das Gift.» Die Grenzwerte berücksichtigen aber nicht nur toxikologische Daten, sondern auch technische Einschränkungen und wirtschaftliche Aspekte. Damit wird zwar die Gesundheit geschützt, aber auch der freie Markt. Die Grenzwerte erwecken also einen Anschein von Objektivität, der nicht ganz gerechtfertigt ist. Zudem bringen sie weitere Probleme mit sich. Weil jede Substanz einzeln betrachtet wird, lässt sich die Wirkung von «chemischen Cocktails» nicht berücksichtigen. Und die Dosis-Wirkungs-Beziehungen von krebserzeugenden oder hormonaktiven Substanzen bleibt unklar – sie werden quasi unterminiert.

Was macht die richtige Regulierung solcher Substanzen denn so schwierig?

Die Tatsache, dass es dabei eine gewisse wissenschaftliche Unsicherheit gibt. Es war und bleibt kompliziert, genaue Zahlen und Belege für die Toxizität von Substanzen zu erarbeiten. Zudem besteht eine fundamentale Asymmetrie zwischen der Industrie auf der einen Seite, die über Daten und viel Geld verfügt, und kritischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern oder Nichtregierungsorganisationen auf der anderen Seite. Dazu kommt, dass das Ganze nicht in einem akademischen, sondern einem regulatorischen Umfeld stattfindet, das weniger transparent und anfällig gegenüber Lobbyorganisationen ist.

Ist es überhaupt möglich, ein Gleichgewicht zu finden zwischen den wirtschaftlichen Vorteilen von Industriechemikalien und der Notwendigkeit, deren toxische Wirkung zu minimieren?

Als Historiker sehe ich vor allem die Grenzen eines Kompromisses zwischen diesen gegensätzlichen Herausforderungen. Andere meinen sogar, dass Grenzwerte dazu beitragen, toxische Substanzen quasi zu legalisieren, weil man sie dann in einer bestimmten Menge verwenden darf – auch wenn Grenzwerte ständig nach unten korrigiert werden. Zwar wächst das Wissen über die Risiken toxischer Substanzen mit dem Fortschritt der Wissenschaft. Doch die Industrieunternehmen entwickeln sich laufend weiter und es liegt nicht in ihrem Eigeninteresse und darum nicht hoch auf ihrer Prioritätenliste, Sicherheit über giftige Substanzen zu gewinnen. Deshalb ist es wichtig, die Blackbox zu knacken, in der diese konfliktträchtigen Regulierungs­prozesse ablaufen.