«Alles fing damit an, dass wir vor rund 20 Jahren für unser Kleidergeschäft Fizzen eine Sporttasche aus gebrauchtem Leder genäht haben», erzählt Kaspar Schlaeppi, «Nachhaltigkeit spielte für uns damals noch gar keine Rolle. Es ging allein darum, dass Secondhand-Leder besser aussieht als neues. Das Wort Upcycling existierte noch nicht». 2019 weitete er zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Laura Weber das Konzept auf breitere Kollektionen aus und gründete Rework.
Nachhaltig, aber für die Masse
Wer schon einmal in einem Secondhand-Laden war, weiss: Viele Schnitte sind nicht mehr in Mode. Hat man etwas gefunden, das einem gefällt, gibt es teilweise nur dieses eine Exemplar. Und um ein passendes Stück zu finden, braucht man Glück. Es ist ein wenig wie eine Schatzsuche. Diese kann Spass machen, aber sie liegt nicht jedem. Das KMU Rework schafft da Abhilfe. Es will der Kundschaft das gleiche Erlebnis wie in einem herkömmlichen Kleiderladen bieten: regelmässig wechselnde Kollektionen und regelmässiger Umbau der Ausstellung für mehr Abwechslung. «Ich will, dass unsere Kundschaft unsere Kleider kauft, weil sie ihnen gefällt, und nicht nur weil sie nachhaltig und zirkulär produziert sind», sagt Kaspar Schlaeppi. Er orientiert sich mit seinem Konzept bewusst an der Masse. Für diese zählen Individualität, langlebiges Material, emotionale Bindung und moderne Schnitte.
Ganz bewusst verlässt Kaspar Schlaeppi die Öko-Nische. Es ist ein Faktor, durch den ein KMU erfolgreich durch Kreislaufwirtschaft sein kann, wie eine neue Studie bestätigt. Für die Studie wurden 15 erfolgreiche Schweizer Kreislaufwirtschaft-KMUs befragt, darunter auch Rework. Zudem wertete der Think- and Do- Tank sanu durabilitas im Auftrag des BAFU und SECO internationale Forschung aus und bat fünf externe Expert:innen um ihre Einschätzung.
Was ist Kreislaufwirtschaft und welchen Umweltnutzen hat sie?
Kreislaufwirtschaft ist ein Gegenentwurf zu dem, wie wir momentan vorwiegend wirtschaften, nämlich linear. In der linearen Wirtschaft entnehmen wir der Umwelt Ressourcen, stellen daraus Produkte her, verkaufen sie, um sie nach einer häufig kurzen Nutzungsdauer zu entsorgen. In einer Kreislaufwirtschaft werden Produkte und Gebäude ressourcenschonend gestaltet bzw. gebaut und möglichst lange genutzt. Sie werden geteilt, wiederverwendet, repariert, wiederaufbereitet und erst recycelt, wenn das Produkt nicht mehr länger genutzt werden kann. So wird Material zurückgewonnen. Gelingt es uns, Material- und Produktekreisläufe zu schliessen, bleiben Rohstoffe für künftige Generationen erhalten, wir schonen das Klima und reduzieren die Abfallmenge. Davon profitiert sowohl die Umwelt als auch die Schweizer Volkswirtschaft.
Schweizer KMU: erfolgreich durch Kreislaufwirtschaft
Ein weiterer Erfolgsfaktor von Rework ist, physisch präsent zu sein. Ihre Geschäfte liegen an einer repräsentativen Lage. «Die Vitrine ist das beste Marketing», meint Kaspar Schlaeppi dazu, «wären unsere Läden in Seitenstrassen, wäre der Effekt nicht gleich». Das Ziel: Nachhaltig konsumieren wird durch gute Standorte ähnlich einfach wie das gewohnte Shopping.
Rework bereitet alte Kleidung auf. Das Wiederaufbereiten ist ein Geschäftsmodell der Kreislaufwirtschaft. Zusammen mit dem Wiederverwenden, dem Reparieren und dem Teilen zählt es zu den Bereichen, in denen am meisten Ressourcen geschont werden. Erst dann kommt das Recycling. Bei diesen zirkulären Geschäftsmodellen zielt ein Unternehmen darauf ab, sein Geld zu verdienen, in dem es Produktkreisläufe schliesst. Das schont die Umwelt, denn es spart nicht nur Ressourcen sowie Energie, sondern verkleinert auch Abfallberge und den CO2-Fussabdruck.
Fasern produzieren und Stoffe herstellen verbraucht am meisten Energie
«Wiederaufbereiten ist viel besser als Recycling», findet auch Kaspar Schlaeppi. Studien zeigten, dass der grösste Ressourcenverbrauch bei der Herstellung von Kleidern ganz am Anfang bei der Produktion der Fasern und Stoffe passiert. Dieser Produktionsprozess fällt beim Wiederaufbereiten weg. «Der CO2-Ausstoss, der durch den Transport generiert wird, ist jedoch um ein Vielfaches kleiner als der, der bei der Produktion der Stoffe anfällt.»
Deswegen kann Rework auch die weiten Transportwege in Kauf nehmen. Das Umnähen der Secondhandkleider findet direkt in einem sogenannten Sortierwerk in Indien statt, wo Altkleider vorwiegend aus den USA in riesigen Massen weiterverarbeitet werden. Dort hat Rework ein eigenes Nähatelier mit cirka 40 Mitarbeiter:innen aufgebaut.
«Natürlich wäre es schön, wenn unsere Produktion hier in der Schweiz stattfinden könnte», meint Kaspar Schlaeppi, «aber da die Herstellung von Bekleidung weiterhin mit sehr viel Handarbeit verbunden ist, sind Hochlohnländer dazu nicht geeignet, denn will Rework eine Marke sein, die sich jeder leisten kann. Würden wir hier in der Schweiz produzieren, wären die Kosten so hoch, dass wir die Kleider nur im Luxussegment anbieten könnten». Um dem Vorwurf der Ausbeutung entgegen zu kommen, kommuniziert das KMU die Löhne transparent.
«Abfall ist eine Ressource am falschen Ort»
Kaspar Schlaeppi hat viele Jahre Erfahrung in der Branche und lebte mehrere Jahre in Asien. Er hat mittlerweile die richtigen Kontakte und Partner gefunden. Das sei nicht immer leicht gewesen, denn die Prozesse sind auch in Asien vorwiegend auf lineares Wirtschaften ausgerichtet. Ein Anfang ist gemacht. «Ich bin mir sicher, dass gerade ein Umdenken stattfindet. Abfall wird nicht mehr einfach als Abfall betrachtet, sondern mehr und mehr als eine Ressource, die genutzt werden kann» schliesst Kaspar Schlaeppi.