In Genf, einem der weltweit wichtigsten Zentren für multilaterale Diplomatie, ist seit einem Vierteljahrhundert das Geneva Environment Network GEN angesiedelt. Das Forum wurde gegründet mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den Umweltinstitutionen in Genf zu stärken und den Dialog mit den VertreterInnen der Länder und der Zivilgesellschaft zu fördern. Trotz seiner überschaubaren Grösse hat sich das GEN als heimlicher Champion in der Umweltdiplomatie etabliert.

Das GEN hat den Menschen ins Zentrum seiner Arbeit gerückt. Es brauche ein starkes internationales Engagement, denn es gehe darum, das Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt zu erfüllen, den Handel als Mittel zum Guten zu nutzen und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu stärken, betont Inger Andersen, Exekutivdirektorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP).

Drei Fragen des Magazins «die umwelt» an UNEP-Exekutivdirektorin Inger Andersen

Was bereitet Ihnen am meisten Sorgen – der Klimawandel, der Artenschwund oder vielleicht die sogenannten Ewigkeits-Chemikalien PFAS, die fast nicht abbaubar sind?

Es sind alle diese Herausforderungen einzeln und in Kombination. Ja, wir haben wirksame Massnahmen eingeleitet und es gibt Bewegung. An der Weltklimakonferenz gab es wichtige Zusagen, wie die Einigung auf das Finanzierungsziel. Aber: Gleichzeitig sind die CO2-Emissionen gestiegen, obwohl sie deutlich sinken müssten. Es braucht also entschiedeneres Handeln. Auch bei der Welt-Biodiversitätskonferenz in Calì haben wir Fortschritte gemacht. Aber der Artenverlust geht in einem Ausmass weiter, den wir uns nicht leisten können. Und Chemikalien – ob ewig oder nicht – wollen wir weder in unserem Körper noch in unserer Nahrung oder in der Umwelt haben. Aus diesem Grund müssen wir unsere Massnahmen verstärken. Die Menschen verstehen das und sie fordern ein Handeln. Sie erwarten zum Beispiel, dass das Plastikabkommen umgesetzt wird. Unsere Aufgabe beim UNEP ist, zusammen mit den Ländern entschlossen voranzugehen und nicht aus den Augen zu verlieren, dass wir im Bereich der Nachhaltigkeit einen hohen Preis bezahlen, wenn wir es nicht tun.

Welches sind die wichtigsten Themen, die Sie 2025 voranbringen möchten?

Oh, ich habe viele Themen! Aber ich kann sie allein nicht voranbringen, nur die Mitgliedstaaten können das zusammen. Ein wichtiges Thema ist das bereits erwähnte weltweite Abkommen zur Eindämmung von Plastik. Wir müssen uns auf einen Text einigen und brauchen dafür alle Länder am Tisch. Und sie werden Kompromisse eingehen müssen, aber es geht um nichts weniger als das Ende der weltweiten Plastikverschmutzung. Und mein nächstes wichtiges Ziel ist es, aus Zwillingen Drillinge zu machen: Wir haben heute ein Zwillingspaar an Gremien, welche die wissenschaftlichen Grundlagen für die Klima- und Biodiversitätspolitiken der Länder schaffen: Der Weltklimarat «IPCC» und der Weltbiodiversitätsrat «IPBES». Ein vergleichbares Panel fehlt im Bereich Abfälle, Chemikalien und Umweltverschmutzung. Darüber wird verhandelt und es ist mein Ziel, das 2025 unter Dach und Fach zu bringen.

Die fünfte Verhandlungsrunde zum Plastikabkommen ging im November 2024 ohne Ergebnis zu Ende. Besteht noch die Chance auf einen Erfolg?

Auf jeden Fall. Deshalb ist die nächste abschliessende Verhandlungsrunde umso wichtiger. Die Hoffnung, wir würden es in zwei Jahren schaffen, war vielleicht zu optimistisch. Aber schauen Sie, wir hatten 21 Jahre gebraucht, um das Pariser Abkommen abzuschliessen! 21 Jahre, um uns darauf zu einigen, dass es eine gute Sache ist, wenn sich die Erde um weniger als 2 Grad erwärmt. An der nächsten Verhandlungsrunde vor der Sommerpause müssen wir einen Durchbruch erreichen. Der Ball liegt jetzt bei den Mitgliedstaaten.

BAFU-Direktorin Katrin Schneeberger (Mitte) mit UNEP-Exekutivdirektorin Inger Andersen (rechts)

BAFU-Direktorin Katrin Schneeberger (Mitte) mit der UNEP-Exekutivdirektorin Inger Andersen (rechts). Bild: Géraldine Eicher

Die Schweiz als Vordenkerin

In Genf haben sich UNEP-Exekutivdirektorin Inger Andersen und Katrin Schneeberger, Direktorin des Bundesamts für Umwelt (BAFU) an einem bilateralen Treffen zu Umweltfragen ausgetauscht. Dabei kamen auch die weiteren Verhandlungen über ein globales Abkommen zur Beendigung der Plastikverschmutzung zur Sprache. Die Schweiz gehört zu den Vordenkerinnen eines solchen Plastikabkommens und ist Mitglied der «High Ambition Coalition». Diese Länderkoalition setzt sich dafür ein, dass mit der Plastikkonvention bis 2040 keine Kunststoffe mehr in die Umwelt gelangen. Sollten die Verhandlungen zu einem positiven Abschluss kommen, könnte Genf ein idealer Standort für das Sekretariat der Plastikkonvention sein. Die Schweiz ist zudem daran interessiert, auch das Sekretariat des neuen Wissenschaftspanels Abfälle, Chemikalien und Umweltverschmutzung in Genf anzusiedeln. Im einzigartigen internationalen Netzwerk könnten Synergien genutzt werden, eine Ansiedlung in Genf würde zudem die Position der Schweiz stärken.