Eine Lachmöwe zieht am Himmel vorbei, ein Eisvogel ruht sich auf einem Baum aus und ein Schwarm Haubentaucher geniesst ein Bad im Sonnenschein. Wir befinden uns in der Grande Cariçaie, der mit 3000 Hektar bei weitem grössten Moorlandschaft der Schweiz. Das am Südufer des Neuenburgersees gelegene Gebiet umfasst Moore, überschwemmte Wälder und Uferbereiche. Vor allem aber beherbergt es ein Viertel aller Arten der Schweizer Flora und Fauna. Die Grande Cariçaie ist eines der elf Feuchtgebiete unseres Landes, die unter dem Schutz der Ramsar-Konvention stehen: einem Übereinkommen, das die Erhaltung der Feuchtgebiete, die für die biologische Vielfalt der Erde am wertvollsten sind, zum Ziel hat.

Wichtige Nist- und Rastplätze
Feuchtgebiete sind Übergangsbereiche zwischen terrestrischen und aquatischen Ökosystemen. Typisch für diese Gebiete ist die hohe Wassersättigung des Bodens, die ihre biologische, chemische und hydrologische Zusammensetzung beeinflusst. Das ist auch der Grund für ihre reiche Vielfalt an Lebensräumen, zu denen Flussdeltas, Auen oder auch Moore zählen. Gemeinsam ist ihnen insbesondere, dass sie zahlreiche Pflanzen- und Tierarten beheimaten. So spielen Feuchtgebiete beispielsweise eine wichtige Rolle für Wasservögel, die hier während ihrer Züge Nist- und Rastplätze finden. Das Überleben einiger Arten hängt denn auch entscheidend von diesen Biotopen ab.

Feuchtgebiete sind aber nicht nur wichtig für Flora und Fauna, sondern erbringen auch zahlreiche Ökosystemleistungen für den Menschen. So regulieren sie den Wasserkreislauf oder binden CO2.

Feuchtgebiete sind unter Druck. Sowohl die Siedlungsentwicklung als auch Verschmutzungen gefährden diese Biotope und ihr empfindliches Gleichgewicht. Um die Öffentlichkeit für den Schutz dieser sensiblen Gebiete zu sensibilisieren, haben sich 25 engagierte junge Menschen mit der Produktionsfirma Teenergy aus dem Genferseegebiet zusammengetan. Das Ergebnis ist eine Reihe von elf dokumentarischen Kurzfilmen, die zwischen 2017 und 2024 realisiert wurden. Das Format – maximal zwanzig Minuten – ist wirkungsvoll und der Ton verbindet einen wissenschaftlichen Ansatz mit Poesie. Die Dokumentarfilme drehen sich um Begegnungen zwischen Fachpersonen für Biodiversität und Jugendlichen aus der ganzen Schweiz.

Schönheit zeigen, um Wissen zu vermitteln

Axel Lakhdar war als Regisseur an der Seite seines Vaters Hassan an allen Filmen mitbeteiligt. Der junge Mann war erst 18 Jahre alt, als er sich in diesem Projekt versuchte. «Die Begegnung zwischen zwei Welten orchestrieren: die Jugendlichen auf der einen und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der anderen Seite. Diese Idee hat mich sofort angesprochen.»

Informieren, indem man den Fokus auf die Schönheit der Feuchtgebiete richtet, ist für Axel eine Strategie, die sich auszahlt: «Viele Menschen wissen gar nicht, dass diese Gebiete so atemberaubend sind. Es ist extrem wichtig, diese Schönheit auf Filmen festzuhalten. Wer sie sieht, kann gar nicht anders, als sich zu verlieben. Um den Wunsch zu haben, die Natur zu schützen, muss man sie vor allem lieben.»

Für Liana Menétrey war es Liebe auf den ersten Blick, als sie die Grande Cariçaie während der Dreharbeiten entdeckte: «Ich hatte das Gefühl, auf Reisen zu sein, unterwegs zu sein von einem Land ins andere – so unterschiedlich sind die Landschaften! Und dabei auch noch Eisvögeln und Möwen zu begegnen …» Heute lebt Liana in der Nähe des Naturschutzgebiets Les Grangettes, einem weiteren Feuchtgebiet, das durch die Ramsar-Konvention geschützt ist.

Sami Zaïbi hat zusammen mit Liana am Dokumentarfilm über die Grande Cariçaie mitgewirkt. Auch er war schon vorher ein Naturliebhaber. Aber beim Durchwandern des Naturschutzgebiets konnte er die Herausforderungen, die mit dem Schutz dieser Biotope verbunden sind, in ihrem ganzen Umfang erfassen. «Wenn von Biodiversität oder gefährdeten Ökosystemen die Rede ist, glaubt man oft, dass es dabei um Gebiete geht, die Tausende von Kilometern entfernt auf anderen Kontinenten liegen. Das stimmt aber nicht, und das ist das Tragische bei den Feuchtgebieten: Ihre Rolle ist grundlegend, wird aber oft verkannt. Wenn man sie besucht, versteht man ihre Bedeutung besser. Man entdeckt die Natur in ihrer ursprünglichen Form, so wie sie sein sollte.»

Engagement und Überzeugungen

Hélène Tavel war am Film über das Chablais de Cudrefin mitbeteiligt. Sie findet es dringend notwendig, die Öffentlichkeit für den Schutz von Feuchtgebieten zu sensibilisieren. «Wer in der Schweiz das Glück hat, mit einem engen Bezug zur Natur aufzuwachsen, hat diesen oft zu den Bergen. Dadurch entwickelt man zwar ein Bewusstsein für Klimafragen. Die Bedeutung der Feuchtgebiete wird aber nicht erkannt. Zu diesen Gebieten müsste eine ähnliche Beziehung aufgebaut werden.»

Dank der Vielfalt der Mitwirkenden schafft jeder dieser Dokumentarfilme auf seine ganz eigene Weise eine Verbindung zwischen dem Entdecken der Natur und dem Vermitteln von Wissen. Eine kühne Mischung, die es schafft, Emotionen zu wecken.

Der neueste Dokumentarfilm, der dem Stausee Niederried im Kanton Bern gewidmet ist, begleitet Laura und Joana Lehmann: zwei Schwestern, die seit ihrer Geburt schwerhörig sind. Dank ihrer Hörgeräte können sie aber trotzdem die Vögel im Naturschutzgebiet singen hören, von der Nachtigall bis zum Buchfinken. Die Szene vermittelt eine starke Botschaft, die sich durch die ganze Reihe zieht: Die Natur bietet ausnahmslos allen Menschen etwas, das sie bestaunen können.

Die Dokumentarfilme von Teenergy führen der breiten Öffentlichkeit den ganzen Reichtum und die unglaubliche Vielfalt der Feuchtgebiete vor Augen. Diese bildgewaltige Reise macht deutlich, dass Feuchtgebiete als Biodiversitätsreservoire komplexe Systeme sind, in denen die Wechselwirkungen zwischen Wasser, Boden, Pflanzen und Tieren ein empfindliches Gleichgewicht bilden – ein Gleichgewicht, das für unseren Planeten unersetzlich ist und das unbedingt geschützt werden muss.

Porträts

Die Dreharbeiten wurden in allen vier Landessprachen durchgeführt. Auf Französisch für das Waadtländer Naturschutzgebiet Les Grangettes (VD), auf Deutsch für den Stausee Niederried (BE), auf Italienisch für den Bolle di Magadino (TI) und schliesslich auf Rätoromanisch für den Roseggletscher (GR).