«Wenn immer möglich, verbringe ich meine Zeit in der Natur – sie ist ein zentraler Bestandteil meines Lebens. Sobald es draussen über 5 Grad warm ist, esse ich am liebsten auf der Terrasse – Hauptsache an der frischen Luft. Naturphänomene haben seit jeher eine starke Anziehungskraft auf mich. Ich erinnere mich gerne an die Sonnenfinsternis im August 1999 – ein Erlebnis, das mich tief berührt hat.
Ich gehe oft und gern in die Berge, bevorzuge dann abgelegene Pfade abseits der klassischen Wanderwege. Dabei helfen mir oft die Wildtiere – sie kennen die alten Wege und nutzen sie bis heute. Früher war das Verhältnis zwischen Menschen und Natur enger, was sich auch in der Bauweise zeigt: Man verwendete das, was vor Ort vorhanden war – Stein, Holz, natürliche Materialien. Das war nachhaltig und ökologisch.
Die Natur ist für mich auch Rückzugsort. Meistens bin ich allein unterwegs, mit wachem Blick und offenen Sinnen. Besonders im Kanton Tessin kenne ich viele Täler - auch die abgeschiedenen und wenig besuchten. Zwei Orte bedeuten mir besonders viel: eine mit Steinstufen erschlossene Alp im Bavonatal sowie eine abgelegene Alp im Verzascatal. Beide strahlen eine besondere Energie aus. Es zieht mich nicht auf die höchsten Gipfel, die viele Menschen anziehen. Ich suche die Ruhe.
Ein Hobby ist die Fotografie. Rund 95 Prozent meiner Aufnahmen zeigen Naturphänomene – vom Eiskristall über die aufgehende Knospe bis zur irisierenden, d.h. in Regenbogenfarben schillernden Wolke. In der Bolle di Magadino am Lago Maggiore beobachte ich seltene Vögel. Die Fotografie schärft den Blick, zwingt zur Achtsamkeit. Selbst Schneeverwehungen oder Schwemmholz werden zu Kunstwerken, wenn man genau hinsieht.
Heute reisen viele tausende Kilometer in die Ferne, um etwas zu erleben – dabei liegt das Wunderbare oft direkt vor unserer Haustüre. Früher kannten Menschen vielleicht nur zwei oder drei Gemeinden – dafür wussten sie darüber und über die Natur sehr viel. In der Schweiz haben wir das Glück, in kürzester Zeit eine enorme Vielfalt zu erreichen – landschaftlich wie kulturell. Diesen Sommer verbrachte ich eine Woche mit einem Kollegen auf einer Alp im Onsernonetal. Käsen, lesen und musizieren liegt mir näher als am Strand liegen.
Schon als Kind hat mich die Natur fasziniert – egal ob Pflanzen, Tiere oder das Wetter. Mit neun Jahren begann ich, mich systematisch mit dem Wetter zu befassen. Ich betrieb eine eigene Wetterstation zu Hause, dokumentierte Temperaturen und Niederschlag, zeichnete lange Grafiken von Hand. Diese Aufzeichnungen besitze ich heute noch – meterlang! Man könnte sagen: Ich bin als Naturwissenschaftler geboren.
Für mich war schon im Gymnasium klar, dass ich später „etwas mit Wetter“ studieren möchte. Nach der Matura ging ich zuerst zur Armee – und hatte das Glück, im Artillerie-Wetterdienst aufgenommen zu werden. Wir machten Radiosondierungen, ermittelten Luftdichte- und Windprofile – wichtige Daten für die Korrektur der Artilleriegeschütze. Danach begann ich mein Studium an der ETH Zürich. Meine Wetterstation musste ich deshalb aufgeben – dafür öffnete sich ein neues Fenster: Ich habe Erdwissenschaften mit Schwerpunkt auf Klimatologie, Meteorologie und Glaziologie studiert. Eis und Schnee – das hat mich schon immer fasziniert.
Im Anschluss an meinem Studium konnte ich bei der damaligen Schweizerischen Meteorologischen Anstalt am Zürichberg – der Vorgängerorganisation von MeteoSchweiz - als Wetterprognostiker einsteigen. Es war die Zeit des Aufbruchs: Das Internet kam auf, Prozesse wurden digitalisiert, wissenschaftliche Daten rückten näher an die Technik. Ich arbeite nun seit 34 Jahren bei MeteoSchweiz. Neben vielen anderen Aufgaben bin ich mit einer Kollegin für die phänologischen Beobachtungen zuständig. Ich bin – und bleibe – ein Naturbeobachter.»
Stefano Zanini
ist in Novazzano (TI) bei Mendrisio aufgewachsen und lebt heute in Gordola (TI) bei Locarno. Während 22 Jahren lebte und arbeitete er in der Deutschschweiz, heute ist er für MeteoSchweiz Verantwortlicher Prognosezentrale Süd. Stefano Zanini ist im Tele Ticino zu sehen, dort moderiert er die Meteo-Sendung.