Konstantin strampelt. «Nicht aufhören, weiter», spornt ihn Workshop-Leiter Christof Seiler an. Das Pedalen auf dem Velo treibt einen kleinen Generator an, dessen Strom eine Glühbirne zum Leuchten bringt. Sobald der Kanti-Schüler zu langsam pedalt, flackert die Glühbirne. «Fühl mal», sagt Christof nun und streckt Konstantins Klassenkollegin Elena die Birne entgegen. «Ganz warm», sagt sie.
Dagegen bleibt die LED-Birne, die Christof als Nächstes an den Strom vom Velo anschliesst, beim Leuchten kalt. Darum muss Konstantin dafür nur 6 Watt erzeugen, für die alte Glühbirne aber 60 Watt, wie Elena am angeschlossenen Messgerät abliest. «Alles, was warm wird, braucht gleich viel mehr Energie», sagt Workshop-Leiter Christof in die Runde.
Was wie viel Strom braucht, ist nur eines der Themen, die im Klimaworkshop für Kantons- und Berufsfachschulen zur Sprache kommen. Vor allem geht es um Klimagase wie Methan und CO2 und wie sie die Erderwärmung verursachen. «Das ist ein enorm wichtiges Thema, das aber an vielen Berufsschulen nach wie vor nur marginal behandelt wird», sagt Stefan Brehm.
Eigene Ideen, um das Klima zu schützen
Er ist selbst Berufsschullehrer und hat den Workshop zusammen mit Interaktionsleiter Christof Seiler entwickelt. «Wichtig war uns, dass wir dieses Thema möglichst anschaulich behandeln.» Christof ergänzt: «Im Workshop erarbeiten die Schülerinnen und Schüler selbst Ideen, um ihren Alltag klimabewusster zu gestalten.»
Seit 2020 führen die beiden Leiter solche Workshops durch, inzwischen 30- bis 40-mal pro Jahr – an diesem Nachmittag mit der Fachmittelschul-Klasse 2A der Kantonsschule am Brühl in St. Gallen. Der Kursraum befindet sich im ZHAW-Gebäude K.118 in Winterthur. Hier haben es sich die Schülerinnen und Schüler der Wand entlang auf dem Boden bequem gemacht. «Macht mal die Augen zu», bittet Christof. Er öffnet eine neue Mineralwasserflasche, es zischt. «Was hat das Geräusch verursacht?» Darauf kommen die 17- bis 18-Jährigen im Nu: CO2 natürlich. Im Wasser ist es harmlos, aber fürs Klima ist es schädlich – wie das?
Rätseln ums Klima
Ein kurzer Film gibt einen Überblick: Etwa abgeholzte Regenwälder, schmelzendes Polareis oder die zunehmende Süsswasser Knappheit werden thematisiert. Ebenso das 1,5-Grad-Ziel und was alles passiert, wenn wir es nicht erreichen.
Danach wird gerätselt. Die Schülerinnen und Schüler bilden Zweiergruppen und ordnen Kärtchen mit verschiedenen Handlungen nach ihrem CO2-Ausstoss. Was ist schlimmer – 10 000 Kilometer mit einem Benzin-Offroader fahren oder ein Jahr lang fleischlastig essen? Und für wie viel CO2 ist das Streamen auf dem Handy verantwortlich, etwa im Vergleich mit einem Flug nach Sidney? Waren die Teenager am Anfang des Nachmittags noch eher zurückhaltend, sind sie nun voll mit dabei und lebhaft am Diskutieren.
Unterstützung vom BAFU
«Dieser Ansatz, die Schülerinnen und Schüler in ihrem Alltag abzuholen, war für uns entscheidend, um das Projekt zu fördern», sagt Sévérine Haldi, Fachspezialistin Klimabildung beim BAFU. Sie entscheidet mit, welche Projekte über das Klimaprogramm Bildung des BAFU eine Finanzhilfe erhalten. «Toll finde ich, dass die Jugendlichen in den Workshops viel selbst spüren, etwa beim Stromerzeugen auf dem Velo», sagt Haldi. «Das sorgt für ein bleibendes Erlebnis.»
Die beiden Workshop-Leiter haben ihr Projekt laufend weiterentwickelt. Inzwischen bieten sie beispielsweise auch Module an, die globale Klimagerechtigkeit oder kreative Ideen im Klimaschutz thematisieren.
Über das Klimaprogramm Bildung unterstützt das BAFU weitere Projekte, die Kompetenzen von Fachkräften und Auszubildenden für den Klimaschutz oder für die Anpassung an den Klimawandel fördern – zurzeit etwa ein Weiterbildungsprogramm zur Hitzeminderung in Städten oder Climate Labs für Lernende in Unternehmen. In letzteren können Lernende Ideen für den Klimaschutz in ihren Lehrbetrieben entwickeln und umsetzen.»
Einen SUV schleppen
Für Klasse 2A geht’s nun raus an die Sonne, wo Action angesagt ist: Die Gruppe soll das Gewicht eines SUV zehn Meter weit tragen. Da die Workshopleiter Christof und Stefan aus Überzeugung keinen solchen Grosswagen besitzen, brauchen sie einen Trick: Auf einer Rettungsplane tragen die Schülerinnen und Schüler acht ihrer Gspänli nacheinander je viermal zehn Meter hin und her, bis sie kumuliert das Gewicht eines SUV geschleppt haben – rund zwei Tonnen. Und: Das Ganze ist ein Rennen. Die Klasse tritt nämlich gegen die bisherige Rekordzeit aus dem Workshop an.
Das erste «Opfer» ist Klassenlehrerin Johanna Büche. Sie legt sich in die Plane, die acht Trägerinnen und Träger greifen sich je einen Zipfel davon und los geht’s, nun wird geschleppt, gerannt, gestolpert, gerufen, gelacht. «Los, los!» «Schneller, ihr schafft das», feuern Stefan und Christof ihre Schützlinge an. Am Anfang geht’s sehr schnell, doch mit der Zeit wird das Rennen und Tragen sichtlich anstrengender. Dafür läuft der Personenwechsel in der Plane immer routinierter.
Spass und Botschaft
Und tatsächlich: Klasse 2A schlägt mit 2:56 Minuten den bisherigen Rekord von über drei Minuten. Alle sind ausgepowert, aber happy. «Mit dem viel leichteren Velo legt ihr diese Strecke in ein paar Sekunden zurück», kommentiert Stefan. Klar, das Ganze war nicht nur Spass, sondern auch eine Message: Ein so schweres Fahrzeug zu bewegen, benötigt viel Energie.
Auch für Lehrerin Johanna Büche ist der heutige Nachmittag ein Highlight. Für sie ist klar: «Dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler hier viel selbst machen, bleibt das Thema Klimaschutz besser hängen als mit blosser Theorie.»
Am Ende des Nachmittags gibt es noch eine Erfrischung, wiederum mithilfe des Workshop-Velos: Aus Saft, Beeren und Bananen mixen sich die Teenager einen Smoothie – zusammengerührt im Mixer, der am Lenker befestigt ist. Vanessa steigt aufs Rad und sorgt mit etwas herumfahren in kaum einer Minute für Smoothie für alle. «Fein», sagt Konstantin. Während die anderen noch austrinken, schnappt er sich das Velo und fährt nochmal um den Block.