Ein See ist von der Quaggamuschel befallen. Was fällt auf?
Der erste Eindruck könnte positiv überraschen: Der See ist klarer als vor der Quaggamuschel-Invasion. Beim näheren Betrachten fällt dann auf: Die Muscheln haben den Seeboden stark verändert. Vielleicht gibt es weniger Fische. Muschelschalen liegen am Ufer. Und schliesslich müssen Badende aufpassen, dass sie ihre Füsse nicht an den Schalen verletzen.
Wie stark beeinflusst die Quaggamuschel einen See als Lebensraum für andere Tiere und Pflanzen?
Die Auswirkungen sind gewaltig. Die Quaggamuscheln filtern sehr effizient pflanzliche Kleinstlebewesen aus dem Wasser – was die bessere Sicht erklärt. Anderen Tieren im See steht so jedoch weniger Nahrung zur Verfügung. Dies bringt das Nahrungsnetz im See durcheinander. Zudem verändern riesige Muschelbänke und Schalendepots die Struktur des Seebodens stark. Es bilden sich bis meterdicke Schichten. Viele Organismen verlieren so ihre Siedlungsräume, gleichzeitig entstehen Habitate für einige andere Lebewesen. Diese und weitere Folgen verändern die Artenzusammensetzung des Sees stark. Es gibt Verlierer und Gewinner – wobei die Quaggamuschel eindeutig die Hauptgewinnerin ist: Beispiele aus Nordamerika zeigen, dass sie bis zu 90 Prozent der Biomasse eines Sees ausmachen.
Filmsequenzen aus dem Genfersee ©Michel Roggo
Wo in der Schweiz hat sich die Quaggamuschel bereits festgesetzt?
Die Quaggamuschel wurde bereits in zahlreichen Seen des Mittellands gefunden. Zuletzt wiesen sie Forschende im Zürich-, Zuger- und Alpnachersee nach. Ohne entschiedene Gegenmassnahmen ist davon auszugehen, dass sich die Quaggamuschel in vielen weiteren Seen ausbreiten wird. In bereits befallenen Seen wird auch die Menge an Quaggamuscheln weiter zunehmen. Fachleute schätzen, dass deren Biomasse im Genfer-, Bieler- und Bodensee in 20 Jahren zusammen dem Gewicht von rund 13'000 Autos entspricht.
Wieso verbreitet sich die Quaggamuschel so stark?
Die Quaggamuschel hat relativ geringe Ansprüche an ihren Lebensraum, frisst effizient und vermehrt sich rasend schnell. Eine einzelne weibliche Muschel kann jährlich bis zu einer Million Eier produzieren. Die winzig kleinen Larven breiten sich im ganzen See aus und können sich an fast jeder Oberfläche festsetzen. Dort entwickeln sich die Larven zu Muscheln.
Verursacht die Quaggamuschel auch wirtschaftliche Schäden?
Ja, der ökonomische Schaden durch die Quaggamuschel ist beträchtlich. Betroffen sind insbesondere die Trinkwasserversorgung und die thermische Nutzung von Seewasser. Die Larven sind so klein, dass sie ohne Vorsorgemassnahmen auch durch Filter oder Entnahmekörbe bis weit in Anlagen eindringen. Die Muscheln setzen sich in Wasserentnahmerohren, Kühlsystemen und anderen Anlagen fest, verstopfen diese oder stören ihre Funktion. Wartung, Umbau und Neubau der Anlagen verursachen enorme Kosten. Auch der Bewuchs durch Quaggamuscheln an Stegen, Schiffen, Booten und Fischernetzen erfordern einen hohen Wartungs- und Reinigungsaufwand. Geht der Bestand bestimmter Fischarten zurück, müssen Berufsfischerinnen und Berufsfischer zudem mit tieferen Fangerträgen rechnen. Auch wenn eine vollständige Übersicht fehlt, werden die Gesamtkosten der Quaggamuschel-Invasion in der Schweiz auf Hunderte von Millionen Franken geschätzt. Diese dürften in den kommenden Jahren noch weiter steigen.
Was können wir gegen die Verbreitung der Quaggamuschel unternehmen?
Konnte die Quaggamuschel erst einmal in einen See eindringen, sind noch keine Möglichkeiten bekannt, um sie wieder loszuwerden. Die wichtigste Devise lautet deshalb, die Muschel von nicht befallenen Seen fernzuhalten. Dies liegt auch in den Händen aller Gewässernutzenden: Die effizienteste Massnahme gegen ein Einschleppen wäre, Fahrzeuge und Material gar nicht erst in verschiedenen Gewässern zu nutzen. Und falls doch, diese gründlich zu reinigen. Boote, Wassersportgeräte, Fischerei- und Taucherausrüstung sowie Wasserbaugeräte müssen gründlich gesäubert, getrocknet und von Schlamm, Pflanzenteilen und Tieren befreit werden. Dies stoppt auch die Ausbreitung weiterer invasiver Wasserlebewesen.

©Michel Roggo
Wenn sich die Einschleppung der Quaggamuschel in weitere Seen kaum verhindern lässt: Lohnen sich die Schutzmassnahmen überhaupt?
Unbedingt, denn die Ausbreitung der Quaggamuschel zu verlangsamen, ist bereits ein wichtiger Erfolg. Den natürlichen Zustand eines Sees so lange wie möglich zu erhalten, heisst: weniger Wartungs- und Reparaturkosten, mehr Zeit für technische Anpassung der Infrastruktur und auch für die Forschung, um Lösungen zu finden.