Der Bau eines Gebäudes verursacht heutzutage im Schnitt dreimal mehr Treibhausgas-Emissionen als sein Betrieb ««Der Bau eines Gebäudes verursacht heutzutage im Schnitt dreimal mehr Treibhausgas-Emissionen als sein Betrieb», erklärt Alberto Cerri und weisst damit auf einen Umstand hin,der zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Er ist Projektleiter bei öbu - Verband für nachhaltiges Wirtschaften und für das Projekt RUSS zuständig: Re-Use of Steel Section. Das heisst: Verwendet man mehr Bauteile wieder, spart das CO2-Emissionen und hilft dabei, Klima- und Umweltziele zu erreichen. Ausserdem verringert die Wiederverwendung Müll. Über 80 % der anfallenden Abfälle in der Schweiz stammen aus der Bauindustrie.
«In der Baubranche gelten Stahlprofile als besonders kreislauffähig», erzählt Alberto Cerri weiter, «sie können in ihrer vorhandenen Form ausgebaut und oft direkt in neue Bauten integriert werden. Dabei wird keine Energie für’s Einschmelzen oder Neuformen benötigt.» Heute werden Stahlträger häufig rezykliert. Dabei wird das Material eingeschmolzen um daraus ein neues Produkt herzustellen. Aber der Recyclingprozess braucht viel Energie. Unter ökologischen Aspekten ist es also besser, Stahlträger aus Abbruchobjekten als ganzes Bauteil wiederzuverwenden.
Wiederverwendung: ein Geschäftsmodell der Kreislaufwirtschaft
Das Projekt verfolgt mit seinem Ansatz die Förderung besonders ressourcenschonender Geschäftsmodelle. Neben der Wiederverwendung steht das Teilen bzw. Mieten, das Wiederaufbereiten und das Reparieren. Um die Idee umsetzen zu können, will das Projekt eine kommerzielle Wertschöpfungskette für die Gewinnung, Re-Qualifizierung und den Vertrieb initiieren. «Damit Bauteile im grossen Stil wiederverwendet werden können, braucht es industrielle Lieferketten, einfache Bewertungsmöglichkeiten und passende Standards», sagt Alberto Cerri.
Eine neue Studie hat gezeigt, dass genau dieser branchenweite und übergreifende Ansatz ein Faktor dafür sein kann, will ein Schweizer KMU erfolgreich durch Kreislaufwirtschaft sein. Die Studie wurde vom Think- and Do-Tank sanu durabilitas im Auftrag des BAFU und SECO erstellt. Mit Zusammenarbeit können die nötigen Kooperationen und Abläufe entlang der ganzen Wertschöpfungskette initiiert, Synergien geschaffen und die Herausforderungen gemeinsam bewältigt werden.
Was ist Kreislaufwirtschaft und welchen Umweltnutzen hat sie?
Kreislaufwirtschaft ist ein Gegenentwurf zu dem, wie wir momentan vorwiegend wirtschaften, nämlich linear. In der linearen Wirtschaft entnehmen wir der Umwelt Ressourcen, stellen daraus Produkte her, verkaufen sie, um sie nach einer häufig kurzen Nutzungsdauer zu entsorgen.In einer Kreislaufwirtschaft werden Produkte und Gebäude ressourcenschonend gestaltet bzw. gebaut und möglichst lange genutzt. Produkte werden geteilt, wiederverwendet, repariert und wiederaufbereitet und recycelt. Gelingt es uns, Material- und Produktekreisläufe zu schliessen, bleiben Rohstoffe für künftige Generationen erhalten, wir schonen das Klima und reduzieren die Abfallmenge. Davon profitiert sowohl die Umwelt als auch die Schweizer Volkswirtschaft.
Es braucht neue Prozesse
Re-Use bedeutet, mit dem zu arbeiten, was verfügbar ist. Der herkömmliche Planungsprozess, bei dem die Planenden ein Tragwerk konzipieren und dann das entsprechende Material bestellen, muss neu gedacht werden. Die Kosten für den wiederverwendeten Stahl können heute noch nicht umfassend definiert werden. Sie hängen von einer Vielzahl von Faktoren (Aufwand für Rückbau, Qualitätsnachweis, Oberflächenbehandlung und Zwischenlagerung) ab. Ziel des Projektes ist es, diese Faktoren zu optimieren.
Das Potential der Wiederverwendung in der Bauindustrie ist enorm. Das zeigt ein Beispiel aus Winterthur. Eine Studie von 2022 kommt zum Schluss, dass durch bei der Aufstockung eines Industriebaus um drei Etagen dank der Wiederverwendung von Bauteilen die Treibhausgasemissionen der Bauteilherstellung um bis zu 60 % reduziert werden konnten. Die wiederverwendeten Stahlträger hätten daran einen Anteil von 8,4 %.
Durch Wiederverwenden von Stahlbauteilen liessen sich 91 % der Treibhausgase vermeiden, die beim Herstellen von neuen Trägern aus Recyclingstahl entstehen. Die Treibhausgasbilanz würde erst zugunsten neuer Träger aus Recyclingstahl kippen, wenn die wiederverwendeten Stahlträger mehr als 590 Kilometer weit transportiert würden, wie eine weitere Studie zeigt.
«Es gibt noch viel zu tun», sagt Alberto Cerri, «aber ich bin zuversichtlich. Helfen würde sicherlich, wenn es mehr Anreize und Regulierungen gäbe, mit Re-Use-Bauteilen zu arbeiten. Ebenso förderlich wäre eine steigende Nachfrage nach dieser neuen Ästhetik in der Gesellschaft.»