«Als ich Modou Fall «The plastic man» das erste Mal sah, war es am Bildschirm meines Laptops. Ein amerikanischer Surfer hatte ihn in seiner Doku über den Senegal gezeigt – in einem kurzen Ausschnitt, irgendwo zwischen Wellen und Küste. Aber irgendetwas an Modou blieb mir im Kopf. Vielleicht war es seine ruhige, entschlossene Art. Und das bunte Kostüm aus Plastikmüll, das er trug, um gegen Umweltverschmutzung zu protestieren. Ich googelte seinen Namen, folgte ihm auf Social Media – und irgendwann schrieb ich ihm einfach: Ob wir uns treffen könnten? Ich wolle ein Video machen, vielleicht ein paar Fotos.

Der 52-Jährige Modou Fall alias Plastic Man ist unermüdlich unterwegs im Kampf gegen die Plastikverschmutzung in Senegal. ©Niklas Bruggeman
Was als kleines Treffen begann, hat mein Leben komplett verändert. Heute arbeite ich eng mit Modou bei Senegal Propre zusammen. Meine Aufgaben sind Social-Media-Inhalte erstellen, die Webseite aufbauen, Sponsoren recherchieren, neue Projekte planen – und ganz praktisch mithelfen, wo es nötig ist. Ich bin in sein Viertel in Guédiawaye gezogen, weit weg vom Tourismus, mitten in einen Vorort von Dakar. Hier lerne ich Wolof, die Sprache der Einheimischen, um mich besser mit den Menschen verständigen zu können. Und ich lerne, wie man aus alten Reifen Möbel baut.

Modou Fall ist oft in Yarakh präsent, entweder um über die Plastik-Problematik aufzuklären oder um mit den Fischern zu reden. ©Niklas Bruggeman
Bevor ich Modou kennengelernt habe, war mein Umweltbewusstsein... na ja, theoretisch. Ich wusste, dass ich «mehr machen» sollte, aber ich wusste nie so richtig, wo ich anfangen kann. Erst hier im Senegal wurde mir klar, was Umweltzerstörung konkret bedeutet: verstopfte Abwassersysteme, brennende Müllberge, tote Tiere mit Plastik im Magen. Ich sah es. Ich roch es. Ich atmete es ein. Und ich sah, wie einer dagegen kämpft.

Modou Fall in Kaolack/SEN, der Anlass wurde von der Organisation Saalum Recyclean gemeinsam mit Studierenden organisiert. ©Niklas Bruggeman
Am 10. Juni waren wir auf unsere Tour du Sénégal aufgebrochen mit dem Ziel, die Bevölkerung zu sensibiliseren. Ein Fussmarsch von Dakar nach Fatick über 200 Kilometer - in extremer Hitze und mit vielen intensiven Begegnungen. Wir waren 11 Tage unterwegs und nahmen bewusst nicht die direkte Route, um auch abgelegenere Dörfer und kleinere Städte mit unserem Anliegen zu erreichen. Aufmerksamkeit gewinnen für den Kampf gegen die Plastikflut, die das Land förmlich zu ersticken droht.
Wir wollten lokale Probleme sichtbar machen und direkt mit den Leuten vor Ort über Ursachen, Auswirkungen und mögliche Lösungen diskutieren. Unterwegs besuchten wir Schulen, lokale Behörden, NGOs, Pfadfindergruppen und andere engagierte Menschen, mit denen wir in den Austausch kamen.

Niklas Bruggemann: «Meine Rolle war es, die Tour du Sénégal zu dokumentieren und trug bei verschiedenen Gelegenheiten auch selbst ein Kostüm. Für mich wäre es allerdings undenkbar, damit 30km zu laufen: Es ist heiss und sehr unbequem.» ©Niklas Bruggeman
Die Reaktionen unterwegs waren vielfältig: Viele Menschen waren zunächst verwundert über Modous Plastikkostüm und konnten es nicht einordnen. Doch sobald er erklärte, worum es ging, war die Zustimmung gross. Fast alle stimmten uns zu, dass Senegal ein Müllproblem hat und dass sich etwas ändern muss. Besonders häufig fiel das Wort «noble» – viele beschrieben unsere Aktion als mutig, wichtig und dringend.

Gespräche führen und die Bevölkerung auf die Plastikproblematik sensibilisieren: Dies ist das Ziel der Tour du Sénégal. ©Niklas Bruggeman
Modou trug sein Kostüm während der gesamten Tour – über 200 Kilometer hinweg. Er sprach mit vielen Person und liess sich von der Erschöpfung nichts anmerken. Doch am Abend, wenn er das Kostüm auszog, wurde deutlich, wie viel Kraft es ihn kostete – körperlich und mental. Doch er sagte mir, das Kostüm gebe ihm Kraft – und ich glaube, das stimmt wirklich.

Fast jedes Dorf oder jede Stadt ist von wilden Müllhalden umgeben, auf denen offen Müll verbrannt wurde – oft direkt an der Strasse. ©Niklas Bruggeman
Was mir besonders in Erinnerung bleibt, ist die unglaubliche Gastfreundschaft unterwegs. Jede Nacht wurden wir von Familien aufgenommen, oft kannten wir sie nur über Kontakte oder Bekannte. Während der ganzen Tour haben wir keine einzige negative Reaktion erlebt – die Menschen freuten sich, uns zu sehen, riefen uns zu und feuerten uns an.

Seit 20 Jahren im Einsatz für die Umwelt – unermüdlich, kreativ, mit einer Energie, die ansteckend ist: Modou Fall. ©Niklas Bruggeman
Ich lerne jeden Tag von Modou – über Umwelt, über Senegal, über Ausdauer. Gleichzeitig plane ich mit ihm neue Projekte, achte darauf, dass Spendengelder effizient und transparent eingesetzt werden. In den letzten Monaten habe ich mehr gelernt als in vielen Jahren davor: über nachhaltige Landwirtschaft, über Projektmanagement, über kulturelle Sensibilität. Ich habe gelernt, dass Geduld kein Stillstand ist, sondern Vertrauen in den Prozess. Dass echte Veränderung klein beginnt. Und dass Sprache der Schlüssel ist: Wer hier Wolof spricht, öffnet Herzen.

The Plastic Man am Strand von Yarakh in Dakar/SEN, einem der am stärksten verschmutzten Strände der Stadt. Das Fischerviertel Yarakh liegt in der Nähe von Industrieanlagen und der städtischen Kanalisation. ©Niklas Bruggeman
Was mich besonders berührt: Die Menschen hier. Trotz aller Herausforderungen sind sie voller Hoffnung, helfen einander, lachen viel. Ihr Optimismus steckt an. Ich glaube, meine eigene Hoffnung kommt vor allem von ihnen. Von dieser Energie, die sagt: «Wir schaffen das – auch wenn es schwer ist.» Meine Familie und FreundInnen daheim unterstützen mich. Sie sind manchmal überrascht, oft beeindruckt, manchmal auch besorgt. Aber sie sehen, wie sehr ich für das brenne, was ich hier tue. Und das gibt mir Kraft.
Ich habe gelernt: Du brauchst kein grosses Budget, um Grosses zu bewirken. Du brauchst Mut, Ausdauer – und einen Menschen wie Modou an deiner Seite.»
Niklas Bruggeman
Der 21-Jährige ist in den Niederlanden geboren und in Horgen (ZH) aufgewachsen. Nach dem Gymnasium war für ihn klar: Er wollte nicht sofort studieren, sondern erst die Welt und andere Kulturen entdecken. So kam er vor über einem Jahr zum ersten Mal nach Senegal, eigentlich nur für einen Surftrip. Doch noch mehr als die Wellen faszinierten ihn die Kultur, die Gelassenheit der Menschen und das senegalesische Wrestling, Laamb. Heute trainiert er täglich in einer lokalen Wrestling-Schule. Die Plastikproblematik hat es Bruggeman angetan. Er begleitet Modou Fall «The plastic man» in seinem Engagement gegen Plastikverschmutzung. Senegal ist für Bruggeman inzwischen zum zweiten Zuhause geworden.