IN KÜRZE

Bei der Herstellung von Lebensmitteln fallen Nebenprodukte wie Molke, Kleie oder Treber an. Durch die Verwertung dieser Nebenprodukte kann die Lebensmittelverschwendung drastisch reduziert werden.

Ein ganzer Drittel der essbaren Anteile von Lebensmitteln geht in der Schweiz auf dem Weg vom Feld zum Teller verloren oder wird verschwendet – so eine Studie der ETH Zürich. Diese vermeidbaren Verluste machen 25 Prozent der Umweltbelastung aus, die dieser Sektor verursacht. «Lebensmittel­verluste kommen entlang der gesamten Wertschöpfungskette vor», erklärt Jonathan Brünggel, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Sektion Konsum und Produkte beim Bundesamt für Umwelt (BAFU). Bei der Verarbeitung von Lebensmitteln entstehen neben dem Hauptprodukt manchmal auch essbare Neben­produkte. Obwohl diese sogenannten «Nebenströme» für den Verzehr geeignet sind, werden sie aktuell nicht immer für die menschliche Ernährung genutzt. Beispiele dafür sind Molke bei der Käseherstellung, Kleie bei der Mehlproduktion oder Fruchtreste bei der Saftherstellung.

Der Grossteil dieser Reste endet derzeit als Tierfutter oder als Biogas. Für den Bund gilt es als Verschwendung, wenn essbare Teile von Lebensmitteln letztlich nicht von Menschen verzehrt werden. Dazu belastet die Produktion von Lebensmitteln für Menschen in der Regel die Umwelt stärker als die von Futtermitteln.

Ein vom Bundesrat verabschiedeter Aktionsplan gegen Lebensmittel­verschwendung umfasst eine branchen­übergreifende Vereinbarung, die Stand heute 36 Organisationen und Unternehmen unterzeichnet haben. In Zusammenarbeit mit den Unterzeichnenden hat der Bund praxisbezogene Leitfäden für die Akteurinnen und Akteure in der Verarbeitung, im Handel und in der Gastronomie erstellt. Diese schlagen konkrete Massnahmen vor, um Food Waste zu reduzieren. «Wir befinden uns noch in der freiwilligen Phase des Plans. Nach einer Analyse wird der Bundesrat über mögliche weitere Massnahmen entscheiden», führt Jonathan Brünggel aus. «Die Akteure der Lebensmittelindustrie haben ein grosses Interesse daran, ihre Abfälle zu minimieren. Das verbessert nämlich nicht nur ihr Image, sondern zahlt sich auch finanziell aus.»

Fleischersatz aus der Brauerei

Mit 146 Brauereien pro Million Einwohnerinnen und Einwohner hat die Schweiz laut dem Schweizer Brauerei-Verband die höchste Brauereidichte der Welt. Um Bier herzustellen, verwenden diese Brauereien hauptsächlich Getreide, meist in Form von Malz aus Gerste oder Weizen. Dieses brauen sie ein, um dem Bier seinen typischen Geschmack zu verleihen, bevor es in Fässer abgefüllt wird. Das gekochte Malz bleibt dann am Boden des Behälters als feuchte Masse zurück, die man Treber nennt.

Die Brauerei Chopfab Boxer mit Standorten in Winterthur (ZH) und Yverdon-les-Bains (VD) hat beschlossen, dieses ballast- und nährstoffreiche Erzeugnis auf­zuwerten, indem sie daraus ein Fleischersatzprodukt herstellt. «Letztes Jahr wurden wir von Circular Food Solutions – einem Spin-off des Lebensmittel­konzerns Bühler – kontaktiert, das neue Maschinen testen wollte», sagt Philip Bucher, Geschäftsführer der Brauerei mit 50 Angestellten. Im Februar 2024 hat die Brauerei mit der Produktion begonnen. «Wir sind überzeugt, dass es wichtig ist, Alternativen zu Fleisch zu finden. Und diese Methode ermöglicht es, einen interessanten Rohstoff zu verwerten.» Bisher wurde Treber für Tierfutter weiterverkauft, aber es ist sowohl aus ökologischer als auch aus finanzieller Sicht attraktiver, daraus umweltfreundliche und pflanzliche Ernährungsalternativen für den Menschen zu entwickeln.

Philip Bucher, Geschäftsführer der Brauerei Chopfab Boxer

Philip Bucher ist Geschäftsführer der Brauerei Chopfab Boxer. Seit Februar dieses Jahres stellt das Unternehmen aus den Malzresten, die bei der Bier­herstellung anfallen, dem sogenannten Treber, ein Fleischimitat her. © Caroline Minjolle / Lunax/BAFU

Nach dem Brauen wird der Treber durch ein Rohr in das Nebengebäude geleitet, in dem die Fleischersatz­produkte hergestellt werden. Dafür verfeinert die Brauerei den Treber mit Salz sowie Soja- oder Erbsenmehl, wodurch er die richtige Konsistenz sowie Ballaststoffe und Proteine erhält. Eine Schneid­maschine verarbeitet die Masse dann zu Gehacktem, Stücken oder Geschnetzeltem. Die Erzeugnisse werden danach auf –20 Grad Celsius gekühlt und in Portionen von ungefähr 30 Gramm aufgeteilt. Anschliessend werden sie vom Detailhändler gewürzt und verpackt. Die fertigen Produkte bestehen zu 40 Prozent aus Bier­treber und weisen eine ähnliche Textur und einen ähnlichen Nährwert wie Poulet auf.

Die Entwicklungsmöglichkeiten sind aber nach wie vor enorm. «Aktuell verwerten wir nur fünf Prozent unseres Trebers, und das auch nur am Standort Winterthur», sagt Philip Bucher von der Brauerei Chopfab. Die Herstellung von Fleischersatzprodukten finde nur an zwei Tagen pro Woche statt. «Wir hätten bereits heute die Kapazitäten, um die Produktion zu steigern.» In der Schweiz machen Ersatzprodukte einige Prozente des Fleischmarktes aus. «Das Wachstumspotenzial ist riesig. Heutzutage wünschen sich die Konsumentinnen und Konsumenten gesündere und umweltfreundlichere Alternativen. Mit Biertreber können wir auf dieses Bedürfnis reagieren.»