IN KÜRZE

Noch immer besteht über ein Drittel des Hausmülls aus Abfällen, die kompostiert werden könnten. Eine Studie zeigt auch, dass ein grosser Teil der eingekauften Lebensmittel im Abfallsack landet. Es gibt gute Beispiele, wie man beim Einkauf und zu Hause gegen die Verschwendung von Lebensmitteln vorgehen kann.

Ich denke nicht, dass ich verschwenderisch bin. Ich lebe recht bescheiden, bin relativ sparsam und besitze Gegenstände, die ich seit fünfzehn oder gar zwanzig Jahren verwende. So schnell werfe ich also nicht etwas weg. Zumindest dachte ich das, bis ich fürs Schreiben dieses Artikels meinen Abfallsack etwas genauer untersuchte. Da realisierte ich: Neben den unvermeidlichen Plastikverpackungen und vielen schmutzigen Taschentüchern besteht ein grosser Teil meines Abfalls aus Lebensmitteln. Schande über mich. War ich nicht dazu erzogen worden, meinen Teller leer zu essen? Meine Reste für morgen in einem Tupperware aufzubewahren? Leider muss ich zugeben: Trotz strenger Erziehung und meinen ökologischen Werten werfe ich Lebensmittel weg, die zu den 2,8 Millionen Tonnen Lebens­mittel­abfällen hinzukommen, die die Schweiz jedes Jahr produziert. Offensichtlich bin nicht nur ich ein schlechtes Vorbild in Sachen Food Waste.

Weniger Abfall im Jahr 2022

Über ein Drittel unseres Hausmülls besteht aus Abfällen, die kompostiert oder vergärt werden könnten: Rüstabfälle, Lebensmittel, Gartenabfälle und flüssige Lebensmittel. Dies zeigt eine Studie des BAFU, die im Jahr 2022 anhand der Abfall­säcke von 33 Gemeinden untersucht hat, wie sich unser Kehricht zusammen­setzt. Die Studie wird seit 1982 alle zehn Jahre durchgeführt und zieht Schlüsse über das Entsorgungs- und Abfalltrennungsverhalten für die ganze Schweiz. Aufgeteilt auf 32 Kategorien spricht unser Abfall Bände über unseren Konsum, unsere Lebensgewohnheiten und unsere Recyclingfähigkeit.

Mit 148 Kilogramm im Jahr 2022 nahm die Menge des Hausmülls pro Person im Vergleich zu 2012 um 58 Kilogramm ab – dies die gute Neuigkeit des Berichts. Samuel Anrig, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Sektion Siedlungsabfälle des BAFU, erklärt sich dies vor allem dadurch, dass Abfall häufiger getrennt wird: «Die grössten Veränderungen der letzten zehn Jahre betreffen Papier, Plastik und organische Abfälle, die immer mehr recycelt werden und weniger im Abfallsack landen. Die Kantone und die Städte können stolz sein auf ihre Recyclinginfrastrukturen und die Art, wie sie genutzt werden.» Die Sackgebühr, die die meisten Kantone in den letzten Jahren eingeführt hatten, begünstigten diese Tendenz zur Abfalltrennung (siehe Kasten).

Das Übel der Verschwendung

Trotz dieses eher positiven Ergebnisses würde Samuel Anrig ein strenges verbesserungsfähig wählen, wenn er unsere Leistung im Bereich Abfälle bewerten müsste. «Es gibt noch viel zu viele recycelbare Inhalte in unseren Abfällen und somit ein grosses Verbesserungspotenzial.» Insbesondere stören ihn die 35 Prozent Lebensmittelabfälle in unserem Müll, die reduziert oder wenigstens für recycelbare Energie wie Biogas oder als Dünger verwertet werden könnten. Food Waste ist ein Übel, das den Umweltschutz in der Schweiz aushöhlt. Rund ein Drittel der hier produzierten Lebensmittel gehen verloren, und in den Haushalten verschwenden wir durchschnittlich 90 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr und Person. Ein echtes ökologisches Problem, das den Bund dazu bewogen hat, ein Ziel festzusetzen: Die Lebens­mittelverschwendung bis 2030 zu halbieren.

Ein Luxusproblem

Weshalb aber werfen wir so viel Essen weg? «Weil wir es uns leisten können», antwortet Karim Hächler, Projekt- und Kommunikationsmanager für die Romandie beim Verein foodwaste.ch. Im Allgemeinen gilt: Nimmt das BIP eines Landes zu, vergrössert sich auch seine Abfallmenge. Dies war auch in der Schweiz so – bis sich die Kurve der Abfälle 2022 verflachte und zum ersten Mal nicht mehr derjenigen des BIP folgte. Dennoch hat Food Waste nicht abgenommen. «In der Schweiz steht das Essen nicht im Mittel­punkt der Bedürfnisse, wir wenden nur wenig Zeit und einen kleinen Teil unseres Budgets dafür auf. Wenn der Salat im Kühlschrank langsam welk wird, essen wir etwas anderes und kaufen am nächsten Tag einen frischen Salat ein», stellt Karim Hächler fest.

«Aus Liebe zum Essen»: Das ist der Slogan von foodwaste.ch, der informieren und auf die Lebensmittel­verschwendung aufmerksam machen soll. Er versucht zu vermitteln, wie kostbar diese Ressource ist. Als eine seiner neueren Aktionen hilft der Verein kleinen und mittelgrossen Detail­händlern dabei, die neuen Leitfäden des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinär­wesen (BLV) zur Datierung von Lebensmitteln umzusetzen. Dank diesen ist es nun unbedenklich, Lebensmittel auch noch für eine gewisse Zeit nach dem auf der Verpackung angegebenen Datum zu verkaufen oder zu verzehren. Die Detailhändler können den Preis für diese Produkte reduzieren und den Grund dafür mithilfe von Etiketten angeben.

Auf den Abfall achten

Die Verantwortung für Food Waste liegt aber nicht nur bei den Haus­halten oder im Detailhandel. Viele Lebensmittel gehen bereits bei der Lagerung, dem Transport, der Verarbeitung, der Auslese oder beim Verpacken der Produkte verloren.

Das ist das Paradoxe an Food Waste: Aus ökologischer wie aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich Verschwendung nicht, und alle sind sich einig, dass die Verluste zu begrenzen sind. Wir haben viele Entscheidungs­möglichkeiten. Trennen ist besser als wegwerfen, und ich werde von jetzt an besser darauf achten, was in meinem Abfallsack landet.

Was bringt die Sackgebühr?

Die Sackgebühr, die einige Schweizer Kantone ab den 1990er-Jahren einführten und die der Bund 1997 in einem Gesetz verankerte, soll die Abfallmenge nach dem Verursacherprinzip verringern, indem es einen Anreiz für die Abfalltrennung schafft. Zusammen mit Investitionen in die Recyclinginfrastrukturen zeigte die Gebühr schon bald ihre Wirkung: Eine Studie von 2016 ergab, dass sich die brennbaren Abfälle wie Papier und Karton um 40 Prozent reduziert hatten. Auf den ersten Blick scheint die Massnahme das Ziel erreicht zu haben. Gemäss Samuel Anrig, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Sektion Siedlungsabfälle des BAFU, ist das aber zu wenig: «Es hat zwar weniger Müll in den Säcken, doch es gibt immer mehr getrennten Abfall. Das Gesamtvolumen der Abfälle nimmt weiterhin zu.»