Die Schätzung liegt bei 2'700 Tonnen: So viel Kunststoffabfall wird jedes Jahr in der Schweiz liegen gelassen oder in die Umwelt geworfen. Um gegen dieses Littering vorzugehen und die Umwelt zu schützen, organisiert die Clean-Up Tour Abfallsammeltage in den Bergen.
Für die zweite von 35 Etappen, die in diesem Jahr zwischen April und Oktober geplant sind, geht's in Richtung Col des Mosses oberhalb von Leysin. Trotz leichtem Regen versammeln sich an diesem Morgen im Mai rund 30 Freiwillige auf dem Parkplatz, um einen Tag lang Abfälle zu sammeln. Nach einer kurzen Vorstellung und Erklärungen zum Tagesablauf werden Säcke und Handschuhe verteilt und die Arbeit beginnt.
Ein generationenübergreifendes Sammelteam
Die meisten Freiwilligen kommen aus den umliegenden Gemeinden, einige aber auch von weiter weg. Eine Teilnehmerin erklärt, sie wohne in Genf und mache seit 2021 jedes Jahr mit; eine Familie ist aus Renens angereist. Für viele ist die Clean-Up-Tour zur Gewohnheit geworden. «Wir organisieren die Sammlungen seit über zehn Jahren», erklärt Gretel Ginier, Gemeindepräsidentin von Ormont-Dessous und eine der treuen Teilnehmerinnen. «Wir werden gut begleitet und das ist angenehm.» Unter den Beteiligten lässt sich kein typisches Profil ausmachen. Sowohl Einheimische als auch Feriengäste lassen sich begeistern. «Das Schönste sind die verschiedenen Altersgruppen und Profile», findet Petra Hošková, seit 2022 Projektleiterin von Clean-Up. «Es sind Kinder, Pensionierte, Familien, Gruppen von Freunden oder Kolleginnen und sogar Personen dabei, die allein gekommen sind und mit neuen Bekanntschaften wieder abreisen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich für den Schutz unserer Berge einsetzen – für dieses Naturerbe, das uns allen am Herzen liegt.»


In der Natur zurückgelassene Abfälle verschandeln nicht nur die Landschaft, sondern sind auch eine echte Gefahr für Tiere und Pflanzen. Bei ihrer Zersetzung entsteht Mikroplastik: winzige Kunststoffpartikel, die den Boden und schliesslich auch das Wasser kontaminieren. Und so sind diese Partikel auch in völlig unbewohnten Gebieten oder hoch gelegenen Bergseen zu finden.
Es ist nicht einfach, mit den hochmotivierten Jugendlichen des Langlaufclubs Les Goupils Schritt zu halten, die auf der Suche nach Abfällen die Hänge durchstreifen und an Bächen entlanggehen. Zwei junge Langläuferinnen weisen auf das Problem der Abfälle hin, die nach der Schneeschmelze mitten auf den Pisten zum Vorschein kommen. Dort, wo sie trainieren also. «Beim Sammeln sind wir alle zusammen und haben viel Spass. Wir nutzen die Pisten während der ganzen Saison; deshalb ist es wichtig, dass sie sauber sind.»
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer richten ihren Fokus besonders auf die Umgebung der Strasse, die durch das Dorf führt. Dort konzentriert sich nämlich ein Grossteil der Abfälle. Gemäss der Summit Foundation handelt es sich bei 86 Prozent der in der Schweiz weggeworfenen Abfälle um Kunststoff. 86 Prozent der achtlos weggeworfenen Abfälle aus Kunststoff. Dieses Material ist denn auch am häufigsten in der Umwelt zu finden. Auf 100 m² liegen durchschnittlich 67 Abfallgegenstände verstreut, wobei Zigarettenfilter 34 Prozent ausmachen. Für den Abfallbeauftragten der Gemeinde, der die Freiwilligen unterstützt und mit seinem Lastwagen die vollen Säcke einsammelt, sind die Zigarettenstummel eine echte Plage: «Die Leute schmeissen sie ganz einfach aus dem Fenster. Jedes Jahr findet man Unmengen davon. Unglaublich!» Dabei kann schon ein einziger noch so kleiner Stummel mehr als 150 umweltschädliche Substanzen freisetzen.

«Wir beobachten, dass die pro Person gesammelte Menge jedes Jahr abnimmt, was als ermutigendes Zeichen betrachtet werden kann», sagt Petra Hošková, Projektleiterin der Clean-Up Tour. © Caroline Minjolle/Lunax
Die Palme für den speziellsten Fund
Am frühen Nachmittag treffen sich alle wieder bei der Espace Nordique in Les Mosses, wo der Tag begonnen hat. Dann werden die von den Freiwilligen zurückgebrachten Säcke gewogen – wobei durchaus Wettkampfgeist zu spüren ist! – und die ungewöhnlichsten Funde werden stolz zur Schau gestellt. An diesem Vormittag wurden über 70 kg Abfälle gesammelt. Glücklicherweise schrumpft diese Menge jedes Jahr. «Als wir vor über zehn Jahren mit unseren Aktionen begonnen haben, wurden jeweils mehrere hundert Kilo Abfälle gesammelt», erzählt ein Einwohner der Gemeinde und Stammgast der Clean-Up Tour. Im Jahr 2024 lag der Durchschnitt pro Etappe bei 92 kg. «Wir beobachten, dass die pro Person gesammelte Menge jedes Jahr abnimmt, was als ermutigendes Zeichen betrachtet werden kann», so Petra Hošková. «Allerdings finden wir immer mehr kleinen Plastikabfall und Zigarettenstummel.»
28 675 kg
Das ist die Menge an Abfall, die seit dem Start der Clean-Up Tour im Jahr 2019 gesammelt wurde.
Zu den aussergewöhnlichsten Funden zählen an diesem Tag die Batterie einer Baulampe und ein Ski, der definitiv nicht erst seit gestern am Berghang lag. Solche Funde schaffen es in die «Kuriositäten-Sammlung», die das Team der Clean-Up Tour jeweils mit sich führt und zu der alte Radios, ein Skipass aus dem Jahr 2011 oder auch ein Nokia 3310 gehören. Am meisten Applaus und damit die Palme für den speziellsten Fund sichert sich schliesslich der alte Ski, der von den jungen Mitgliedern des Langlaufclubs Les Goupils aufgelesen wurde. In Les Mosses verhindert schlechtes Wetter dieses Mal das Sortieren der Abfälle, das normalerweise am Ende jeder Sammelaktion stattfindet. Ausnahmsweise wird sich deshalb die Gemeinde darum kümmern.
«Wie man so schön sagt: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung», betont Petra Hošková. «Heute Morgen hatten wir einige Zweifel, vor allem was die Beteiligung anbelangt. Aber die Leute trafen nach und nach ein, und schliesslich hatten wir eine Gruppe von 33 motivierten Freiwilligen zusammen – mitten im Regen und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Genau solche Erfahrungen sind es, die unserem Engagement einen Sinn verleihen.» Der Vormittag endet mit einem wohlverdienten Aperitif, spendiert von der Gemeinde Ormont-Dessous: eine gute Gelegenheit, sich auszutauschen, den Anwesenden zu danken und die Aktion auf gesellige Weise ausklingen zu lassen.
Die Clean-Up Tour ist eine Initiative der Summit Foundation: einer Schweizer Stiftung, die sich seit über 20 Jahren aktiv darum bemüht, Littering insbesondere in natürlichen und touristischen Umgebungen zu bekämpfen. Jedes Jahr werden Tausende Freiwillige mobilisiert, um Berggebiete, Naturpärke und Flussufer zu säubern. «Seit ihrer Gründung im Jahr 2001 organisiert die Stiftung Abfallsammelaktionen in den Bergen», erklärt Petra Hošková. «2019 kam die Idee auf, die Einzelaktionen unter einem gemeinsamen Banner – der Clean-Up Tour – zusammenzufassen, um ihnen mehr Sichtbarkeit und eine landesweite Ausstrahlung zu verleihen.» Die Stiftung arbeitet mit verschiedenen lokalen Akteuren zusammen: Skigebieten, Seilbahnen, Tourismusbüros, Gemeinden oder auch Sektionen des Schweizer Alpen-Clubs. «Wir konzentrieren uns auf stark frequentierte Orte, da dort die Auswirkungen des Litterings am deutlichsten sichtbar sind.»
Ein Ziel ist es, die Bevölkerung nachhaltig für die Auswirkungen von Abfall und den dringend notwendigen Schutz unserer Ökosysteme zu sensibilisieren – vor allem in den Bergen, wo das Problem mit der Schneeschmelze offensichtlich wird. «Wir setzen auf aktives Handeln: Erst beim Sammeln wird man sich voll bewusst, wie viel Abfall herumliegt und welche Auswirkungen dies hat. Erst dann realisiert man, wie wichtig es ist, vorzubeugen, statt die Folgen bewältigen zu müssen.»
Im Jahr 2024 wurden mehr als 3200 kg Abfälle gesammelt. Seit dem Start des Programms im Jahr 2019 haben sich 8238 Personen beteiligt und in 171 Etappen im ganzen Land 28 675 kg Abfall gesammelt. Heute deckt das Projekt die gesamte Schweiz ab, mit Schwergewicht auf der Westschweiz. «Wir wollen unsere Präsenz aber auch in der deutsch- und der italienischsprachigen Schweiz verstärken. 2021 wurde auf der anderen Seite der Alpen die Clean-Up Tour Italia ins Leben gerufen, womit unser Projekt unterdessen sogar die Grenzen überschritten hat», freut sich die Projektleiterin von Clean-Up.
Wie Sie teilnehmen können
Eine Teilnahme an der Clean-Up Tour ist einfach und steht allen offen. Wählen Sie auf der Webseite ein Datum aus und melden Sie sich online an. Sie erhalten dann einige Tage vor der Sammelaktion alle Infos per E-Mail. Die Ausrüstung wird vor Ort bereitgestellt, aber Sie können auch Ihre eigenen Handschuhe mitbringen, falls Sie welche haben. Empfohlen werden zudem bergtaugliche Kleidung und feste, geschlossene Schuhe.