«Wir betreuen jeden Samstagmorgen den Gemüsemarkt in Tavannes. Am Abend bleiben immer wieder unverkaufte Produkte übrig, die niemand mehr will – weder die Restaurants in der Region noch die Stiftungen, die wir jeweils kontaktieren. So kam uns an einem dieser Samstage die Idee: Warum nicht eine Bouillon daraus machen, statt alles wegzuwerfen?» Das Projekt von Liliane Engelmann, der Mutter, und Sandrine Luginbühl, der Tochter, entstand aus dem tief verankerten Bedürfnis, keine Lebensmittel zu verschwenden. An diesem Grundsatz richtet sich auch ihr Laden im Zentrum von Tavannes aus, wo sie unter anderem unverpackte Lebensmittel verkaufen.
Eine Bouillon mit kurzer Lieferkette
Am Anfang war alles noch sehr simpel: Die beiden Frauen trockneten das Gemüse mit dem, was sie gerade zur Hand hatten. «Bei den ersten Tests haben wir ein einfaches Dörrgerät mit Gittereinsätzen verwendet», erinnert sich Liliane Engelmann. «Aber wir merkten schnell, dass das nicht reichen würde und zu viel Strom braucht. Also haben wir einen Dörrautomaten angeschafft, der mit niedriger Temperatur arbeitet, sodass Vitamine und Nährstoffe erhalten bleiben. Wir haben verschiedene Gemüsesorten und Mengen ausprobiert. Kohl zum Beispiel – nicht ideal», meint Liliane schmunzelnd. Mit der Zeit verfeinerten sie Rezeptur und Technik, und auch die Beschaffung des Gemüses wurde professioneller. «Als die Bouillon bekannter wurde, haben wir unsere Lieferantenbasis erweitert. Jetzt arbeiten wir mit lokalen Gemüseproduzentinnen und -produzenten zusammen, damit die Lieferkette möglichst kurz bleibt. Unser Ziel ist es, das Label Grand Chasseral zu erhalten.» Dieses Label wird vom BAFU vergeben und garantiert, dass ein Produkt aus dem Naturpark Chasseral stammt und dort verarbeitet wurde.

Liliane Engelmann und Sandrine Luginbühl sammeln das unverkaufte Gemüse vom Markt in Tavannes ein. © RTS Couleurs locales 19.12.2024
Unerwartete Bekanntheit
Im Sommer 2024 beschlossen Liliane und Sandrine, ihr Projekt beim Innovationspreis «Terroir Juraregion» einzureichen – «einfach zum Spass», wie Sandrine sagt. Prompt holten sie den zweiten Platz. «Der Preis hat wirklich alles verändert. Seither steigt die Nachfrage ständig – damit hätten wir nie gerechnet.» Liliane ergänzt: «Die Auszeichnung eines Produkts bringt vieles ins Rollen, schafft aber auch Herausforderungen. Wir mussten einen zweiten Dörrofen anschaffen. Eigentlich bräuchten wir noch einen dritten, aber aus ökologischer Sicht wäre das nicht sinnvoll. Dann würden wir mehr Strom verbrauchen, als die Solarpanels auf unserem Haus produzieren können.»
Leben mit der Natur
Das tief verankerte Umweltbewusstsein, das die beiden Frauen teilen, wurde von Generation zu Generation weitergegeben. «In unserer Familie gab es Gemüsebauern, wir hatten immer Gärten. Meine Mutter hat konsequent das ganze Gemüse verarbeitet. Damit wirklich nichts verschwendet wurde, haben wir das Gemüse auch eingemacht. So bin ich aufgewachsen – und das habe ich meinen Kindern weitergegeben», erzählt Liliane. Ein Leben in der Stadt? Für sie unvorstellbar. «Wir schätzen unsere Region, gehen in den Wald, um Bärlauch oder Pilze zu sammeln – wir verwerten alles, was uns die Natur anbietet.»

Für die Bouillon wird das Gemüse bei niedriger Temperatur in einem Dörrautomaten getrocknet. So bleiben die Vitamine und Nährstoffe erhalten. © RTS Couleurs locales 19.12.2024
Eine Bouillon, die etwas bewegen soll
Die Werte von Liliane und Sandrine – Umweltbewusstsein und Respekt vor der Natur – spiegeln sich in ihrer Bouillon. Und die beiden Frauen hoffen, diese Werte weitergeben zu können. «Es gäbe noch so vieles zu tun», meint Liliane nachdenklich. «Die Ideen sind da. Aber wir bräuchten Menschen, die mitmachen, die Unterstützung durch Ingenieurschulen und finanzielle Mittel. Zu zweit können wir die Welt nicht verändern. Aber vielleicht kann jemand unsere Idee an einem anderen Ort in der Schweiz aufgreifen. Unsere Bouillon ist ein regionales Produkt und wir können nicht die ganze Schweiz versorgen. Aber wenn andere interessiert sind – wir teilen unser Wissen gerne.»

Mit ihrem Bouillon-Projekt holten Liliane Engelmann und Sandrine Luginbühl 2024 den zweiten Platz beim Innovationspreis «Terroir Juraregion». © RTS Couleurs locales 19.12.2024
Liliane Engelmann-Miéville
Liliane Engelmann wurde 1966 in Lausanne geboren und verbrachte in ihrer Kindheit viele Wochenenden auf dem Bauernhof. Nach einer Ausbildung zur Telefonistin war sie in verschiedenen Berufen tätig, bevor sie 2012 das Geschäft Festishop übernahm. Im Jahr 2018 ergänzte sie das Sortiment um Bio-Lebensmittel. 2022 initiierte sie den Gemüsemarkt in Tavannes – der Ausgangspunkt für das Bouillon-Projekt.
Sandrine Luginbühl-Engelmann
Sandrine Luginbühl kam 1993 in Reconvilier zur Welt und wuchs dort auf. Nach ihrer Lehre als Coiffeuse stieg sie 2016 bei ihrer Mutter im Festishop ein und übernahm die Verantwortung für den Lebensmittelbereich. Sie engagiert sich zusammen mit Liliane sowohl am Gemüsemarkt in Tavannes als auch im Bouillon-Projekt, das mit dem zweiten Platz beim Innovationspreis «Terroir Juraregion» ausgezeichnet wurde.
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