Der Klimawandel ist ein allgegenwärtiges, heiss diskutiertes Thema – zu Recht, das Wetter schlägt auch bei uns zunehmend Kapriolen. Veränderung liegt deutlich spürbar in der Luft und macht Angst. Meist wird auf der Suche nach einem Schuldigen mit dem Finger auf Autos und Flugzeuge gezeigt. Allerdings versteckt sich hinter den üblichen Verdächtigen noch ein weiterer, weniger bekannter Übeltäter: Die Bau- und Immobilienbranche. Insgesamt entfällt etwa 28% des Schweizer Treibhausgas-Fussabdrucks1 auf Bauwerke. Baumaterialien sind für rund 10% des Schweizer Treibhausgas-Fussabdrucks verantwortlich und der Energieverbrauch in der Nutzungsphase für circa 18%.
Die Baubranche muss dringend umdenken. Zum Glück gibt es Schweizer Pionierinnen und Pioniere, die bereits jetzt das Steuer herumreissen: Ein Frauenfelder Architekt recycelt ganze Häuser und der Kanton Waadt baute sich ein Bürogebäude aus Holz und Lehm für die Mitarbeitenden seiner Umweltdirektion. Es ist das Haus der Umwelt, das erste seiner Art.
Ein Haus wie ein Korb
Es ist der 14. September 2021. Eine strahlende Béatrice Métraux, ihres Zeichens Cheffe du Département de l’environnement des Kanton Waadts, schneidet mit einer goldenen Schere durch ein grün-weisses Band. Schnipp. Das Maison de l’environnement, MEV, ist offiziell eröffnet. Zwei Jahre nach Baubeginn steht das revolutionäre Gebäude, und vereint fortan die Arbeitsplätze aller Mitarbeitenden der Generaldirektion für Umwelt im Kanton.
Von aussen sieht das Haus der Umwelt ein bisschen aus wie ein eckiger Korb. Die Fassade besteht fast ausschliesslich aus Waadtländer Holz, in horizontal und vertikal gebeizten Paneelen verkleidet. Trotzdem sticht das MEV keineswegs aus dem Landschaftsbild heraus: «Ziel war es, ein wirtschaftliches, funktionales und nachhaltiges Gebäude zu entwerfen», sagt der Lausanner Architekt Jean-Baptiste Ferrari von Ferrari Architectes SA. Ferrari, der zusammen mit JPF Entreprise Générale SA den ausgeschriebenen Wettbewerb für die Gestaltung und den Bau des Hauses der Umwelt gewann und umsetzen durfte, betont: «Es kam uns nicht darauf an, das Ergebnis besonders spektakulär zu gestalten, da dies per Definition meist gegen die Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung verstösst. Das Maison de l’environnement ist nüchtern, aber effizient.»
Spektakulär, wenn auch nicht äusserlich, ist allerdings eines der grosszügig verwendeten Bauelemente des MEV: Die Wände aus Erde.
Ein Haus wie die Chinesische Mauer
«Erde für alle» lautet der Slogan der Westschweizer Firma Terrabloc. Die Gründer Rodrigo Fernandez, Ingenieur, und Laurent de Wurstemberger, Architekt, haben es sich zum Ziel gemacht, dem Lehmbau neues Leben einzuhauchen. «Allein im Kanton Genf werden jedes Jahr drei Millionen Kubikmeter Aushub abtransportiert», sagt Fernandez, «dieses könnte man in einen ökologischen Rohstoff verwandeln.»
Lehm ist ein vielfältiger Baustoff, der Jahrhunderte überdauert. Grosse Teile der Chinesischen Mauer sind beispielsweise aus Lehm. So perfektionierten Fernandez und de Wurstemberger das Backrezept für den Lehmziegel der Neuzeit, welcher künftig auch die Temperatur und Feuchtigkeit innerhalb des MEV auf natürliche Weise regulieren wird.
«Alles in allem konnten beim Bau des Hauses der Umwelt 90 Tonnen Beton oder der Ausstoss von 80 Tonnen CO2 gespart werden», freut sich Béatrice Métraux, «Dieser Erfolg soll die öffentliche Behörde sowie die Baubranche dazu ermutigen, so oft wie möglich alternative Bauweisen zu bevorzugen.»