SUstainable MAterial MIning (nachhaltige Materialnutzung) – kurz sumami, so nennt sich das Schweizer KMU, das dem Materialverschleiss im Bauwesen den Kampf angesagt hat. Wie? Die Idee ist einfach: sumami bietet Baubegleitung und -beratung für zirkuläres Bauen in Kombination mit einer Online-Plattform für den Kauf und Verkauf von gebrauchtem Baumaterial: «Jedes Bauteil, das wiederverwendet wird, muss nicht neu produziert werden. Somit werden Ressourcen gespart, die Treibhausgasemissionen reduziert und unser Klima geschützt», sagt Co-Gründer Karl Martin.

In Baustoffen und -materialien stecken neben den Primärrohstoffen (z.B. Kies) auch graue Treibhausgasemissionen und graue Energie. Damit ist die Energie gemeint, die zur Rohstoffgewinnung, Herstellung und Verarbeitung der Produkte sowie Entsorgung erforderlich ist, einschliesslich der Transporte. Neue und sanierte Gebäude brauchen im Betrieb durch erneuerbare Heizsysteme und bessere Gebäudehüllen immer weniger Energie. Betrachtet man also den Lebenszyklus eines neuen Gebäudes, nimmt der Anteil der Betriebsenergie ab und derjenige der grauen Energie zu.

«84 Prozent der Schweizer Abfälle stammen vom Bau»

Karl Martin hat das KMU 2021 zusammen mit Gerwin Schueffl gegründet – aus Überzeugung. Beide wollten dazu beitragen, die Klimaziele (Link: Klima: Das Wichtigste in Kürze (admin.ch) zu erreichen und identifizierten den Bausektor als grosses Handlungsfeld: «84 Prozent der Schweizer Abfälle werden vom Bauwesen generiert», berichtet Karl Martin, «Baumaterialien sind für rund 10 Prozent des Schweizer Treibhausgas-Fussabdrucks verantwortlich.». Karl Martin und Gerwin Schueffl waren froh, dass sie Daniel Glauser mit ins Boot holen konnten. Er ist ein Schweizer Pionier in Sachen Wiederverwendung im Bau und blickt auf mehr als 25 Jahre Erfahrung zurück. Von ihm konnten sie auch die Plattform bauteilclick.ch übernehmen, die mittlerweile useagain.ch heisst.

Die beiden Gründer haben schnell festgestellt, dass eine Plattform für den Austausch von gebrauchten Materialien nicht ausreicht, um die Baubranche zum Umdenken zu bewegen. Dazu braucht es mehr Aufklärungsarbeit. Ausserdem liess sich allein mit der Plattform kein Geld verdienen. Deswegen haben sie ihr Portfolio um ein Dienstleistungsangebot erweitert und beraten die Immobilienbranche bei der Frage, welche Teile ökologisch und ökonomisch sinnvoll wiederverwendet werden können. Sie versuchen, die Branche da abzuholen, wo sie steht, etwa mit Argumenten wie dem folgenden: «Jede Tonne wiederverwendetes Material muss nicht neu produziert werden und verursacht dementsprechend keinen CO2-Austoss in der Produktion. Je mehr wiederverwendet wird, desto näher kommt ein Unternehmen seinen Klimazielen.»

Zusammenarbeit in der Branche ist unerlässlich

sumami versteht useagain.ch nicht nur als eine reine Vermittlungsplattform, auf der Material ge- und verkauft wird. Mit der Plattform will das KMU auch alle relevanten Akteure und Akteurinnen vernetzen und den Austausch fördern, denn: «Eines unserer Haupt-Learnings war, dass eine verbesserte Zusammenarbeit unter den Stakeholdern des Bauwesens unerlässlich ist, um die notwendigen Veränderungen voran zu treiben.»

Eine Studie, an der das KMU mitgewirkt hat, hat genau diesen Faktor dann auch als einen identifiziert, der dabei hilft, dass ein Schweizer KMU erfolgreich durch Kreislaufwirtschaft sein kann: branchenweit und -übergreifend zusammenarbeiten. Insgesamt 11 Faktoren hat der Think- and Do- Tank sanu durabilitas im Auftrag des BAFU und SECO zusammengetragen.

Recycling braucht mehr Energie als Wiederverwenden

Nun könnte man meinen, dass doch in Sachen Recycling schon genug passiere. Materialien wieder zu verwenden, geht Karl Martin aber nicht weit genug: «Recycling braucht beim Zerkleinern und beim Einschmelzen viel Energie, was bei der Wiederverwendung nicht notwendig ist. Und es geht auch keine Herstellungsenergie verloren.» Deswegen wird bei sumami die Wiederverwendung gegenüber dem Recycling priorisiert. Es ist ein besonders ressourcenschonendes Geschäftsmodell der Kreislaufwirtschaft. Deren Ziel ist es, Produkte und Materialien so lange wie möglich im Kreislauf zu halten. Weitere besonders umweltfreundliche Strategien sind die Lebensdauerverlängerung von Gebäuden durch Sanieren statt Abreissen sowie das Teilen, Reparieren und Wiederaufbereiten von Bauteilen. Dann erst folgt das Recycling von Materialien.

«In der Schweiz gibt es fast alle Materialien, die wir zum Bauen brauchen. Sie sind in unseren Gebäuden gespeichert», sagt Karl Martin, «um diese wertvollen Quellen zu nutzen, müssen sich Prozesse und Wertschöpfungsketten ändern.» Dementsprechend ist sumamis Ansatz der eines systemischen Wandels.

Bauteilbörsen und Netzwerke sorgen dafür, das zirkulären Bauen funktioniert. ©Anna Buser

Bauteilbörsen und Netzwerke sorgen dafür, das zirkulären Bauen funktioniert. ©Anna Buser

Wiederverwendet heisst nicht qualitativ minderwertig

Gar nicht so einfach in einer Branche, in der Qualität im Zentrum steht. Viele denken noch immer, etwas wieder zu verwenden sei qualitativ minderwertig. Allerdings ist den wenigsten bewusst, dass früher viel qualitatives Material eingebaut wurde, welches wir uns heute kaum mehr leisten (können). Zudem ist Wissen über Kreislaufwirtschaft rar. Kreislaufwirtschaft, das ist für die meisten Recycling.

Von diesen Hürden lassen sie sich bei sumami nicht einschüchtern. Sie sind mit ihrem Geschäftsmodell erfolgreich. Dabei hilft ihnen auch, dass sie eine klare Vision haben – ebenfalls einer, der in der neuen Studie identifizierten Faktoren für Erfolg durch Kreislaufwirtschaft. Sie lautet: «Die Ressourcenverschwendung in der Bau- und Immobilienbranche auf ein Minimum zu reduzieren, um so zu einer nachhaltigen und gesunden Zukunft für Mensch und Umwelt beizutragen.» Diese Vision hilft ihnen dabei, Entscheide zu treffen und Angebote, die im Widerspruch mit ihren Grundwerten stehen, abzulehnen.