An der Oberfläche war keine Glut mehr zu erkennen. Das Lagerfeuer schien komplett gelöscht, als sich die beiden jungen Wanderer aus der Deutschschweiz schlafen legten. Doch im Untergrund schwelte es weiter – und mitten in der Nacht übertrug der starke Wind einige Funken auf das umliegende Gehölz, das nach einer langen Zeit ohne Regen dürr und trocken war. Und deshalb besonders leicht Feuer fing.
So hat in der Nacht auf den 30. Januar 2022 der Waldbrand auf dem Monte Gambarogno im Tessin begonnen. In den nächsten 58 Stunden breiteten sich die Flammen – trotz des Einsatzes von Dutzenden Feuerwehrleuten und mehreren Löschhelikoptern – auf einer fast 200 Hektaren grossen Fläche aus.
Wochenlange Nachlöscharbeiten
Wegen des beissenden Rauchs musste das Dorf Indemini evakuiert werden. Die Starkstromleitung nach Italien war zwei Wochen lang ausser Betrieb. Und die Asche verunreinigte Quellen und Trinkwasserfassungen. Und nachdem das Feuer endlich erloschen war, mussten die Feuerwehren im Tessin und im angrenzenden Italien noch wochenlang Nachlöscharbeiten durchführen. Beispielsweise liessen sie in der Nacht Drohnen mit Wärmebildkameras aufsteigen, um im Boden versteckte Brandherde zu identifizieren.
Laut der damals im Kanton Tessin eingesetzten Taskforce summierten sich die Schäden auf über 7,5 Millionen Franken. Glücklicherweise war niemand umgekommen. Auch die beiden Abenteurer, die das absolute Feuerverbot missachtet hatten, konnten den Flammen entfliehen. Sie wurden angezeigt.
Feuerverbot als Schutzmassnahme
«Wir verhängen im Schnitt an etwa 70 Tagen im Jahr ein Feuerverbot», sagt Aron Ghiringhelli, der das Bezirksforstamt in Biasca leitet. Ob an einem bestimmten Tag ein Feuerverbot ausgesprochen wird, hängt nicht nur von der objektiven Waldbrandgefahr ab, sondern etwa auch vom Freizeitverhalten der Bevölkerung: Wenn es mehr Personen in den Wald zieht, steigt auch das Risiko, dass es irgendwo zu brennen beginnt. «Oder noch schlimmer, dass gleich mehrere Feuer an verschiedenen Orten ausbrechen», sagt Ghiringhelli.
Der bisher letzte grossen Waldbrand in der Schweiz brach am 17. Juli 2023 im Wallis aus, oberhalb von Bitsch in der Nähe von Brig. Der Brand breitete sich auf über 130 Hektaren Wald aus. Noch eine Woche später waren Löschhelikopter im Einsatz, um schwelende Glutnester zu bekämpfen. Als Ursache kommt eine ausgefallene Stromleitung in Betracht, sicher ist das aber nicht.
Risikofaktor Mensch
Laut Ghiringhelli kann die Ursache eines Waldbrands nicht immer geklärt werden. Doch schätzungsweise 90 Prozent aller Waldbrände sind von Menschen verursacht. «Meist ist Unachtsamkeit im Spiel, etwa wenn bei einem Motorenschaden Funken sprühen oder Leute die Kaminasche im Wald entsorgen.»
Dank Präventionsmassnahmen wie Feuerverbot und Reorganisation der Feuerwehr sind im Tessin sowohl die Anzahl wie auch das Ausmass der Waldbrände in den letzten dreissig Jahren stark zurückgegangen. Vielen anderen Kantonen aber fehle es an Erfahrung. Dabei gewinne die Thematik aufgrund der steigenden Temperaturen und der häufiger und länger werdenden Trockenperioden auch auf der Alpennordseite an Bedeutung, sagt Stefan Beyeler, Co-Chef der Sektion Waldschutz und Waldgesundheit beim BAFU.
Intensivere und aggressivere Brände
«Die Waldbrandsaison dauert nicht mehr wie früher nur von März bis September, sondern hat sich auf das ganze Jahr ausgedehnt.» Zudem würden die Feuer tendenziell intensiver und aggressiver, weil sich in vielen Wäldern Totholz – also Brenngut – ansammle.
Weil die meisten Waldbrände von Menschen verursacht werden, ist es besonders wichtig, dass die Bevölkerung lernt, mit dem grösser werdenden Brandrisiko umzugehen. Und dass sie die kantonalen Präventionsmassnahmen kennt und einhält. Neu publiziert das BAFU die aktuellen Gefahrenwarnungen und Präventionsmassnahmen darum auch als Open Data, damit sie in Kartendiensten oder Smartphone-Apps verwendet werden können. Zudem sorgt das Amt zusammen mit den SBB beispielsweise am Osterwochenende, an dem es viele Menschen in die Wälder zieht, dafür, dass in Zügen per Lautsprecherdurchsage auf Feuerverbote hingewiesen wird.
Ein Modell berechnet die Feuergefahr
Wie die aktuelle Waldbrandgefahr aussieht, zeigt das vom BAFU 2022 neu entwickelte Informationssystem «IGNIS». Es berechnet täglich aufgrund von Wetterinformationen verschiedene Indizes wie die Trockenheit der verschiedenen Bodenschichten. Das Warnsystem basiert auf dem «Forest-Fire-Weather-Index» aus Kanada und ist auf die Verhältnisse in der Schweiz angepasst, um eine aktuelle Risikoeinschätzung zu liefern.