«Schon mit sechs oder sieben Jahren habe ich ständig mit Motorsägen herumhantiert und immer wieder auf dem Bauernhof meines Grossvaters in Panex (VD) bei Aigle mit angepackt. Nach meinem Schulabschluss absolvierte ich eine Lehre als Forstwart. Gleich im ersten Jahr fällten wir an einer Böschung eine riesige Tanne mit 1,45 Meter Durchmesser. Es brauchte zwei Traktoren, um sie abzutransportieren. Das war eine meiner ersten grossen Fällungen. Anschliessend war ich in der Privatwirtschaft tätig, bevor ich Leiter des Forstdienstes in Aigle wurde.
Von den Besten lernen
1990 nahm ich zum ersten Mal an einem Wettkampf im Sportholzfällen teil. Mein Lehrmeister hatte mich für einen Wettbewerb in L’Étivaz (VD) angemeldet. Danach vergingen vier oder fünf Jahre, ehe ich wieder zu ein paar kleineren Wettkämpfen in Frankreich antrat. Als die «Stihl Timbersports Series» im Jahr 2002 nach Europa kamen, stieg ich in diese Meisterschaften ein. Ich habe rasch Fortschritte erzielt, weil ich den Besten zusehen konnte und gleichzeitig auch noch Jugendliche ausbildete. Durch das Erklären der Technik wurde ich selbst besser. Ich stand oft auf dem Podest und holte zahlreiche Titel, unter anderem den Schweizer- und den Europameistertitel.
Sportholzfällen (Timbersport) hat seine Wurzeln in der traditionellen Forstarbeit. Im Wesentlichen geht es darum, im Rahmen verschiedener Wettkämpfe Holz mithilfe von Äxten, Motorsägen oder Sägen so schnell und so präzise wie möglich zu zerkleinern. In gewissen Ländern, etwa in den USA, ziehen die Wettkämpfe Tausende Zuschauerinnen und Zuschauer an. Sie werden online gestreamt und erreichen ein grosses Publikum. In der Schweiz ist die Sportart weniger bekannt.
Sehnsucht Australien
Ich trainiere viel und bin oft unterwegs zu Wettkämpfen. Eine der Reisen, die mich am stärksten geprägt haben, war jene nach Australien. Ich nahm an einem Wettkampf einige Autostunden ausserhalb von Melbourne teil. Das war ein völlig anderes Konzept. Da gab es Pferde, Stiere, Merinoschafe. Diese Wettkämpfe sind dort stark mit der Landwirtschaft verbunden. Rund um das Sportholzfällen, das im Übrigen in Australien entstanden ist, hat sich eine eigene Kultur entwickelt. Auch das Holz ist ein anderes; sie verwenden nämlich Eukalyptusholz. Die Werkzeuge müssen deshalb entsprechend angepasst sein. Ich würde gern wieder einmal dorthin reisen. Wunderschöne Erinnerungen verbinde ich auch mit Neuseeland, den USA und Kanada, den führenden Ländern in diesem Sport.
Ein blockierter Rücken
Ich habe nie einen schweren Unfall gehabt. Lediglich ein paar Schrammen. In Australien werden die Wettkämpfe ohne Schutz bestritten. Bei uns ist das anders. Aber letztes Jahr bei den Weltmeisterschaften in Toulouse in Frankreich war ich angeschlagen und musste später aufgeben. Mein Rücken war komplett blockiert. Das macht mir zwar immer noch ein bisschen zu schaffen, aber ich bin wieder bei Wettkämpfen dabei, und es läuft gut.
Den Nachwuchs fördern
Solange es mir Spass macht und ich fit bin, werde ich weiterhin Wettkämpfe bestreiten. Eigentlich wollte ich kürzertreten, doch nun hat mein Sohn mit dem Sportholzfällen angefangen, und das motiviert mich. Er war immer dabei und hat zugeschaut. Technisch ist er bereits sehr gut und er erzielt gute Resultate. Wir starten bei denselben Wettkämpfen, aber in unterschiedlichen Altersklassen. In Zukunft will ich mich vermehrt dem Coaching widmen und weiterhin junge Menschen ausbilden, um die nächste Generation aufzubauen.»
Die Schweiz mit Christoph Geissler hat Ende Oktober an den Weltmeisterschaften im Sportholzfällen den sechsten Rang belegt.
Benjamin Keller hat die Aussagen von Christophe Geissler zusammengetragen.
Zur Person
Christophe Geissler (51) ist seit 25 Jahren Leiter des Forstdienstes der Stadt Aigle. Dort wohnt er in einem Haus aus Lärchenholz, deiner Lieblingsbaumart, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Der 51-Jährige ist zweifacher Vizeweltmeister im Sportholzfällen und gewann zweimal den Europameister- und zwölfmal den Schweizermeistertitel. Die Aufgaben Christophe Geisslers als Forstwart sind vielfältig: Holz ernten und Bäume pflanzen, Waldwege pflegen und Schutzvorrichtungen gegen Schäden durch Tiere oder Unwetter errichten. Sein Beitrag gilt auch der Waldverjüngung, der Vielfalt der Baumarten und der Entwicklung des Lebensraums von Tieren und Pflanzen.
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