«Sehen Sie diese kleine Eiche? Wenn wir nichts tun, wird sie den Sommer nicht überstehen», sagt Patrick Ginggen und schlägt mit seinem Gertel die Brombeeren und Buchen weg, die den jungen Trieb umgeben. «Die Natur würde hier Buchen hervorbringen, aber wir wollen Eichen», erklärt der Förster aus Boudry im Kanton Neuenburg. Während an diesem Frühlingstag leichter Regen fällt, pflegt er ein kleines offenes Waldstück am linken Ufer der Areuse-Schlucht, um diesen Baum mit den gelappten Blättern zu fördern. Die Eiche ist wärmeliebend und kommt daher gut mit der Klimaerwärmung zurecht, ganz im Gegensatz zur Buche, die kühle Bedingungen bevorzugt und empfindlich auf Trockenheit reagiert. In dieser südexponierten tief gelegenen Region wird sie es schwer haben, zu überleben. Mit seinem Gertel sorgt Patrick Ginggen für die Zukunft vor.
Schon seit dem Mittelalter wurden in dieser Region für die Schweinemast Eichen kultiviert, erzählt der Förster. Deshalb stehen hier heute auch sehr alte Exemplare dieser Baumart. Die Eicheln müssen also gar nicht erst ausgesät werden; der Boden ist bereits voll davon. Aber damit sie zu Eichen werden, brauchen sie Sonne. Dazu kann man entweder abwarten, bis ein Sturm Bäume zu Fall bringt oder den Prozess durch Holzschläge beschleunigen und so Lichtöffnungen schaffen. Förster wie Patrick Ginggen werden dann zu Lichttechnikern: Sie regulieren den Lichteinfall je nach den bevorzugten Baumarten und den lokalen Besonderheiten.
Gezielte Eingriffe
Grossflächige Lichtungen von einem Hektar gehören in solchen warmen, sonnigen Lagen der Vergangenheit an. Sie wurden schrittweise verkleinert und das Team des Forstzentrums «Centre forestier de la Montagne de Boudry» experimentiert seit einigen Jahren mit Öffnungen von nur wenigen hundert Quadratmetern. «Die Idee ist es, in kleinen Schritten zu intervenieren, damit das Kronendach weitestmöglich erhalten bleibt und die Böden nicht austrocknen», betont Patrick Ginggen.
In der vor sechs oder sieben Jahren gelichteten Fläche, auf der wir uns befinden, haben einige Eichen bereits eine Höhe von zwei Metern erreicht. Sie bleiben rund zwanzig Jahre lang unter forstlicher Obhut. «Ein grosses Problem sind die Brombeeren», sagt der Förster. «Sie wachsen sehr schnell und die Eiche schafft es nicht, durch sie hindurchzudringen.» Die Sträucher müssen regelmässig von Hand geschnitten oder ausgerissen werden. Und dann ist da noch die Buche, die ein Heimspiel hat und nicht daran denkt, das Feld kampflos zu räumen. «Wenn man ihr Wachstum nicht bremst, wird sie die Eiche mit ihrem Laub beschatten und deren Wachstum behindern», betont Patrick Ginggen und schwingt seinen Gertel. Auch ein Haselstrauch fällt seiner Klinge zum Opfer. Da sie in diesem Stadium eine zu starke Konkurrenz darstellen, sind Sträucher derzeit unerwünscht.
Etwas weiter weg, ausserhalb des Versuchsgebiets, stehen zwei 150-jährige stattliche Eichen Seite an Seite. Ihre Kronen berühren sich, was dem Förster nicht gefällt. «Vielleicht müssen wir eine davon fällen. Das Ziel ist es, dass die Bäume zwecks Optimierung der Holz- und Fruchtproduktion eine möglichst grosse Krone haben. Kein anderer Baum darf dieser zu nahe kommen» – auch keine andere Eiche. Einige Exemplare stehen jedoch unter besonderem Schutz. So zum Beispiel dieser etwas kleinere Baum, der mit einem orangefarbenen «H» markiert wurde. «Dies ist ein Habitatbaum, der als Lebensraum für Spechte und Fledermäuse dient. Ihn rühren wir nicht an.»
Die Lehren aus dem Sturm Lothar
Die in Boudry angewandten Methoden sind ein Paradebeispiel für die naturnahe Waldverjüngung, wie sie heute in der Schweiz praktiziert wird. «Diese Art der Forstwirtschaft orientiert sich an natürlichen Prozessen, um die Anpassung des Waldes im Zuge der Klimaerwärmung zu erleichtern», fasst Robert Jenni aus seinem Büro in Bern zusammen. Jenni ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Wald des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und Fachperson für Waldverjüngung beim Bund. «Der Sturm Lothar im Jahr 1999 hat uns gezeigt, dass Lücken die Dynamik im Wald sehr stark fördern können, indem sie die Ansiedlung lichtliebender Arten ermöglichen und für Vielfalt sorgen», fügt der Experte hinzu. Und tatsächlich gilt: Je vielfältiger der Wald, desto widerstandsfähiger ist er.
Dies erklärt den Nutzen des kontrollierten Holzschlags, mittels dessen die Arbeit der Natur nachgeahmt wird. «Indem wir alte Bäume fällen, zerstören wir den Wald nicht – ganz im Gegenteil», beruhigt Robert Jenni. Zudem mussten in den letzten Jahren einige Bestände aufgrund der Zunahme von Schädlingen massiv bewirtschaftet und abgeholzt werden. So etwa die Fichte, ein Opfer des Borkenkäfers.
In vielen Fällen ist nach dem Abholzen keine Wiederanpflanzung erforderlich. Laut dem Waldbericht 2025 des BAFU machen solche Wiederanpflanzungen lediglich 9,1 Prozent der Verjüngungen in der Schweiz aus. «Eine Wiederanpflanzung kostet fünf- bis zehnmal mehr als eine Fläche, die der Naturverjüngung überlassen wird», sagt Robert Jenni. Man muss den Boden vorbereiten, die Setzlinge kaufen, sie vor Wildverbiss schützen. In bestimmten Fällen wird dennoch gepflanzt, denn die Bäume, die sich von selbst aussäen, sind nicht immer die gewünschten. Und wenn es keine Eichen gibt, gibt es auch keine Eicheln.» Um herauszufinden, was sie pflanzen sollen, können die Fachleute in der Tree App des Bundes nachschauen.
Apropos Wild: Erschwert seine Vorliebe für junge Bäume die Waldverjüngung? «Es kommt auf den Ort an», so Robert Jenni. «Die Daten des Landesforstinventars reichen nicht aus, um die regionalen Besonderheiten abzubilden. Die Auswertung kantonaler Daten hat uns aber gezeigt, dass die Situation in vielen Fällen zufriedenstellend ist, wobei es eindeutig auch Problemzonen gibt, besonders in den Alpen.»
Naturverjüngung in La Chaux-de-Fonds
Es geschah am 24. Juli 2023. La Chaux-de-Fonds (NE) wurde von einem aussergewöhnlich heftigen Sturm getroffen, der auf einem zwei Kilometer breiten Streifen alles zerstörte. «Einige Wälder wurden vollständig dem Erdboden gleichgemacht», berichtet Pascal Schneider, Forstingenieur des Forstkreises «Arrondissement des Montagnes neuchâteloises». Fast zwei Jahre später «erholt sich der Wald gut», bemerkt er. Es wurden keinerlei Pflanzungen vorgenommen. Die Verjüngung erfolgt auf natürliche Weise. Von den grossen Bäumen befreit, die ihnen zuvor das Licht nahmen, gedeihen Lichtbaumarten wie die Vogelkirsche, die bereits im Unterholz vorhanden waren, bestens. Dabei kam ihnen ein während der Vegetationsperiode niederschlagsreiches Jahr 2024 zugute. Auch die Esche und der Bergahorn profitieren von ihrem neuen Platz an der Sonne, wobei die Esche weiterhin durch das Eschentriebsterben bedroht ist. Sind diese Bäume – gezielt gefördert zur Anpassung an die Klimaerwärmung – erst einmal ausgewachsen, können sie sich selbst aussäen und so einen positiven Kreislauf in Gang setzen. «In den betroffenen Gebieten sollten wir schneller einen der Klimaerwärmung angepassten Wald haben», prognostiziert der Förster. Für Pascal Schneider zeigt die Widerstandsfähigkeit des Waldes nach diesem Sturm generell, wie wichtig seine Vielfalt – sowohl in der Zusammensetzung als auch in der Struktur – ist. «Wären überall nur Fichten gestanden und keine Arten, die nachwachsen konnten, wäre die Verjüngung wesentlich komplizierter gewesen. Die Biodiversität ist die Lebensversicherung des Waldes.»
Ungewisse Zukunft
Zurück nach Boudry. Der Regen wird stärker. Laut Patrick Ginggen stellen Rehe in diesen Wäldern derzeit kein Problem dar. Der Luchs scheint seiner Aufgabe als Regulator nachzukommen. Der Förster hat andere Sorgen, allen voran die invasiven Pflanzen: Stichwort «Götterbäume». «Ich denke, sie werden sich schneller ausbreiten, als wir denken.»
Gebietsfremde Insekten und Krankheiten verschärfen die Situation. «Nehmen Sie die Esche – eine Lichtbaumart, die wir fördern möchten. Acht von zehn Bäumen fallen dem Eschentriebsterben, einer Pilzkrankheit, zum Opfer. Das ist unschön.» Die Klimaerwärmung erhöht ausserdem die Waldbrandgefahr. Patrick Ginggen sieht sich mit vielen Unsicherheiten konfrontiert. Trotzdem ist er zuversichtlich, was die Zukunft der Wälder angeht. «Sie werden sich anpassen, wie sie es schon immer getan haben.» Mit ein wenig Unterstützung des Menschen.