Für das Wohlbefinden von Stadtbewohnerinnen und -bewohnern sind Bäume unerlässlich. Der niederländische Stadtförster Cecil Konijnendijk konkretisiert dies mit seiner 3-30-300-Regel: Für eine optimale Lebensqualität sollte jede Person von ihrem Haus aus mindestens drei Bäume sehen können; in der Nachbarschaft sollten 30 Prozent der Fläche mit Bäumen bepflanzt sein; und niemand sollte nicht weiter als 300 Meter von einem Park oder Wald entfernt wohnen.
Nebst ihrem Nutzen für unser psychisches Wohlbefinden erbringen Bäume eine Vielzahl von sogenannten Ökosystemleistungen: Sie verbessern die Luftqualität, regulieren die Temperatur, spenden Schatten und sorgen im Sommer für Abkühlung. Auch filtern sie Schadstoffe und absorbieren CO2 und Regenwasser. Sie ermöglichen eine reiche Pflanzenvielfalt und sind wichtige Lebensräume für Vögel und Kleintiere.
Zudem: «Im aktuellen Kampf gegen Hitzeinseln werden Bäume in Städten immer wichtiger», sagt Jean-Laurent Pfund, Mitarbeiter der Sektion Waldleistungen und Waldpflege des BAFU. Zwar bleibe auch die Ästhetik von Bäumen ein wichtiger Aspekt, aber ihre Rolle bei der Förderung der Biodiversität, zum Beispiel als wertvoller Lebensraum für Vögel und Insekten, sowie ihre Anpassung an den Klimawandel stünden im Vordergrund.
Städtische Waldflächen und Bäume sind daher unverzichtbar. Dennoch nimmt ihr Anteil in vielen Schweizer Städten tendenziell ab. Die Gründe dafür liegen einerseits in der immer dichteren Bebauung und den damit zusammenhängenden Schwierigkeiten – etwa Mangel an Wasser und verfügbarem Boden und unzureichender Wurzelraum. Andererseits gibt es administrative Hürden: Reglemente und Nutzungspläne müssen angepasst werden, was viel Zeit kostet. Deshalb müssen Stadtplanende und andere Fachleute kreative Lösungen finden, zum Beispiel die Begrünung von Dächern oder Fassaden.
Bäume in der Landwirtschaft
Auch in landwirtschaftlichen Gebieten sind Bäume wichtig. So ist die sogenannte Agroforstwirtschaft in der Schweiz nichts Neues. Davon zeugen etwa traditionelle Kulturlandschaften wie die Kastanienwälder im Tessin, die Wytweiden im Jura oder die Hochstamm-Obstgärten, die unser Land seit Jahrhunderten prägen.
Heute wird dieser Ansatz wegen der Ökosystemleistungen der Bäume gefördert. Denn durch Bäume kann die Landwirtschaft ihre CO2-Bilanz verbessern und erhöht gleichzeitig die Resilienz seiner Landschaft und Pflanzenwelt. Zudem bieten Agroforste auch wirtschaftliche Vorteile. «Vor zwanzig Jahren wollte man Äcker, die schnell viel Ernte einbrachten. Heute wird ein nachhaltiges und ertragreiches Landwirtschaftssystem angestrebt, das nicht nur jetzt, sondern auch für künftige Generationen von Nutzen ist», sagt Sonja Kay, die bei Agroscope im Bereich Agrarökologie und Umwelt forscht. So lässt sich mit einer vielfältigeren Produktepalette – unter anderem durch Agroforstwirtschaft – das Risiko von Ernteausfällen aufgrund von zunehmenden Hitzeperioden und Dürren verringern.
Allerdings: Die Einführung von Agroforstsystemen kann für Landwirtinnen und Landwirte auch eine Herausforderung sein. Häufig müssen sie zusätzlichen Aufwand auf sich nehmen und sich mit neuen Methoden vertraut machen. Die Kantone helfen dabei: Beispielsweise Graubünden, Aargau, Basel-Landschaft und Freiburg haben Strategien zur Förderung der Agroforstwirtschaft verabschiedet. Auch das interkantonale Projekt Agro4esterie (GE, JU, NE, VD) bietet persönliche Beratung und finanzielle Unterstützung dabei, Agroforstsysteme einzurichten und zu optimieren.
Initiativen zur Weiterentwicklung in Urban Forestry
Das interdisziplinäre Netzwerk ArboCityNet schlägt Brücken zwischen Forschungs- und Bildungsinstitutionen, Verbänden, Behörden, Unternehmen, Eigentümerinnen und Eigentümern sowie Nutzenden aus dem Bereich Urban Forestry. Es versorgt Interessierte mit Informationen und organisiert regelmässig Veranstaltungen zum Wissensaustausch.
Die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) hat im Jahr 2019 die «Trees in Cities Challenge» gestartet. Die Initiative ermutigt Stadtregierungen weltweit, ein konkretes Baumpflanzungsversprechen abzugeben, das innerhalb eines Jahres umgesetzt wird. Zudem sollten die Städte Ziele festlegen, um ihre Städte grüner, widerstandsfähiger und nachhaltiger zu gestalten. Bisher nehmen rund 70 Städte auf der ganzen Welt an der Challenge teil.
Im März 2023 entstand im Quartier Seebach auf Initiative des Vereins Stadtgrün und mit Unterstützung der Stadt Zürich der erste Zürcher «Tiny Forest», ein Wald auf kleiner Fläche. Auf ungefähr 400 Quadratmetern pflanzten Freiwillige während zwei Tagen rund 1200 Bäume und Sträucher, die innert drei Jahren zu einem dichten, widerstandsfähigen Wald heranwachsen dürften. Die Idee für die städtischen Mini-Wälder stammt ursprünglich vom japanischen Botaniker Akira Miyawaki und wird mittlerweile weltweit angewandt.
Zunächst registrierten die Behörden von Porrentruy (JU) in einer Bestandesaufnahme die Naturwerte und die Wärmeinseln auf dem Gemeindegebiet. Danach erarbeiteten sie in einem partizipativen Prozess zusammen mit der Bevölkerung den Richtplan «Natur in der Stadt». Dieser umfasst insgesamt 22 Massnahmen, um die Biodiversität zu fördern und sich an den Klimawandel anzupassen. Sie sind in Broschüren zusammengestellt, die praktische Tipps sowohl für Fachleute als auch für die breite Öffentlichkeit enthalten. Dieses Instrument nimmt in der Schweiz eine Vorreiterrolle ein. Es hilft Behörden dabei, die Natur im Siedlungsgebiet zu fördern und das Gemeindegebiet generell nachhaltig zu entwickeln – auf öffentlichem Grund, aber auch auf Privatgrundstücken. Auch dieses Projekt war Teil des Programms «Anpassung an den Klimawandel».
Mit dem in den USA entwickelten Open-Source-Programm «i-Tree Eco» lassen sich die Ökosystemleistungen von Wäldern und urbanen Bäumen bestimmen und mit Geldbeträgen beziffern – Leistungen, die im Kontext des Klimawandels und der städtebaulichen Verdichtung besonders relevant sind. So lassen sich etwa die Kohlenstoffspeicherung oder die Filterwirkung gegenüber Luftschadstoffen jedes untersuchten Baums schätzen. Ein Schweizer Projekt nutzte das Tool, um Daten von rund 1700 Bäumen in den Stadtgebieten von Basel, Bern, Luzern, Schaffhausen, Uster Zürich und Meyrin sowie in weiteren Gebieten des Kantons Genf zu sammeln.
Das Projekt lief von 2019 bis 2021 und wurde von einer Kerngruppe unter anderem aus dem Waldplanungsbüro Pan Bern und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW geleitet. Das Ergebnis war eine neu entwickelte Toolbox* für eine angepasste Bewirtschaftung von urbanen Bäumen und Wäldern, die online zur Verfügung steht. Das Projekt war Teil des BAFU-Programms «Anpassung an den Klimawandel», das im Mai 2023 abgeschlossen wurde.
Im Projekt «Biocities» (biocities.org), das von 2021 bis 2023 läuft, entwickeln Fachpersonen in Workshops und Diskussionsrunden Konzepte, um die Stadt ganz neu zu denken und sie besser mit der Natur in Einklang zu bringen. Beteiligt sind sieben internationale Partner, darunter die Berner Fachhochschule und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Die Umweltpsychologin Nicole Bauer von der WSL hat an einer der zehn neu entwickelten Visionen mitgearbeitet, an der Biocity als Wald. Deren Idee: Die Stadt ist in den Wald integriert und stösst kein CO2 aus, sondern absorbiert und speichert es wie ein Waldökosystem.